Digitale Transformation im Öffentlichen Dienst: Ins Tun kommen!

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Die öffentliche Verwaltung soll sich bis Ende 2022 in ein digitales Dienstleistungsunternehmen verwandeln. Ein solche Veränderung stellt schon Unternehmen in der Privatwirtschaft vor große Herausforderungen. In Ämtern und Behörden kommen spezielle Rahmenbedingungen und Restriktionen hinzu – das bedeutet Change Management und digitale Transformation unter besonderen Voraussetzungen.

Transformationsprozesse in der öffentlichen Verwaltung

Ämter ohne Akten und Bürgerzentren ohne Warteschlangen: Das ist das Ziel einer digitalisierten Verwaltung, wie sie der Gesetzgeber beschlossen hat. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) sieht vor, dass Bürger:innen zukünftig Kontakte mit den Behörden bequem und von Zuhause aus über ein Onlineportal erledigen können. Die Verwaltung lagert ihrerseits Routineaufgaben auf Computer und Chat Bots aus, Mitarbeiter:innen können dadurch ihre Arbeitskraft auf komplexere Aufgaben konzentrieren. Das steigert die Effizienz und spart jede Menge Steuergeld.

Soweit die Theorie. In der Praxis fällt die E-Governance-Bilanz der deutschen Verwaltung jedoch bislang eher bescheiden aus – egal ob es sich um die Kommune vor Ort handelt oder um eine Landes- oder Bundesbehörde. Auch im internationalen Vergleich hinkt Deutschland in Bezug auf eine digitale öffentliche Verwaltung hinterher. Zwar nutzen viele Bürger:innen das Internet inzwischen, um herauszufinden, welche Bürozeiten das Rathaus hat und wann der Müll abgeholt wird. Dass das Kindergeld jedoch komplett digital beantragt werden oder der Personalausweis ohne Behördengang verlängert werden kann, davon sind die meisten Ämter noch weit entfernt.

Dabei hat gerade die Corona-Krise gezeigt, wie wichtig es ist, dass die öffentliche Verwaltung auch in Zeiten von Lockdown und Schulschließungen arbeitsfähig bleibt – die Pandemie hat die vorhandenen Defizite schonungslos offenbart. Gleichzeitig haben die Bürger:innen während dieser Zeit in anderen Lebensbereichen erfahren, dass Digitalisierung funktionieren kann und Vorgänge erleichtert. Diese Chance sollte auch die öffentliche Verwaltung nutzen: Viele Bürger:innen haben während der Pandemie die Scheu gegenüber Computern verloren und finden es inzwischen normal, sich über Videoschalten zu unterhalten. Und die Bürger:innen erwarten digitale Möglichkeiten auch zunehmend und verstehen nicht, weshalb sie auf der ganzen Welt Waren mit einem Klick bestellen können, aber für das Ummelden ihres Wohnsitzes stundenlang im Amt sitzen müssen.

So simpel wie der Einkauf bei Amazon?

Ganz so einfach ist es jedoch nicht – Vorgänge in der öffentlichen Verwaltung sind nur bedingt mit dem Onlineeinkauf beim amerikanischen Großkonzern vergleichbar. Denn die Voraussetzungen sind gänzlich andere:

  • Ein sensibles Thema ist der Datenschutz: Gerade die öffentliche Verwaltung operiert mit äußerst persönlichen Daten, Fakten und Inhalten. Sichere Abläufe sind zwar technisch lösbar, machen jedoch für die Nutzer:innen die digitalen Prozesse nicht bedienungsfreundlicher, sondern komplizierter, weil zum Beispiel eine aufwändige Registrierung und Authentifizierung notwendig wird. Die Thematik betrifft auch nicht nur Kontakte mit Bürger:innen, sondern auch interne Abläufe und den Austausch mit anderen Behörden.
  • Eine weitere Herausforderung ist die Anzahl der Behördenkontakte: Während Bürger:innen das Benutzerkonto beim Onlinehändler ständig benutzen und Nutzername und Passwort dadurch stets parat haben, haben die meisten Menschen nur sehr wenig Berührungspunkte mit Behörden – zum Teil verstreichen zwischen den Kontakten Jahre. Bis dahin haben die Bürger:innen die digitalen Vorgänge beim Amt samt Anmeldestruktur und Passwort schon längst wieder vergessen.
  • Neben dem Datenschutz müssen Behörden in ihren Arbeitsabläufen auch viele Vorschriften, Regelungen und gesetzliche Grundlagen beachten – und diese sind nicht unbedingt digitaltauglich. Hinzu kommen unterschiedliche Kompetenzen und Vorstellungen von Bund, Ländern und Kommunen. Ohne kompatible technische Systeme ist eine digitale, behördenübergreifende Zusammenarbeit jedoch kaum möglich. Nutzerfreundlich und effizient ist Digitalisierung nur dann, wenn Daten lediglich einmal händisch in den Computer eingegeben werden müssen und dann für alle Vorgänge genutzt werden können.
  • Im Vergleich zur Privatwirtschaft ist die öffentliche Verwaltung noch mehr in traditionellen Strukturen verhaftet. Jahrzehntelang wurde mit Aktenordnern und Hängeregistern gearbeitet, der öffentliche Sektor ist geprägt durch einen komplexen und dadurch oftmals trägen Verwaltungsapparat – der Sprung zu vollständig digitalisierten Vorgängen ist weit. Auch viele Mitarbeiter:innen in Behörden sind nicht unbedingt computer- und onlineaffin. Hinzu kommen Personal- und Fachkräftemangel.

Digitalisierung: Mehr als das Einscannen von Dokumenten

Es gibt also viele Herausforderungen bei der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. Und hinter einer Digitalisierungsstrategie steckt auch viel mehr, als Dokumente einzuscannen, bestehende Arbeitsabläufe im Internet abzubilden oder auf Mobilgeräten verfügbar zu machen. Notwendig ist im Grunde eine komplette digitale Transformation, bei der alle etablierten Strukturen auf dem Prüfstand stehen und grundsätzlich überdacht werden müssen. Neue Zuständigkeiten, verbesserte Kommunikationsformen und eine erhöhte Flexibilität sind Grundlage und Ziel der Digitalisierungsstrategie – nur dadurch werden moderne Verwaltungsabläufe überhaupt möglich. Letztendlich geht es um nicht weniger als um eine völlig andere Ausrichtung des öffentlichen Dienstes und um einen grundlegenden Kulturwandel der bestehenden Arbeitsstruktur.

Notwendigkeit und Akzeptanz eines Change-Managements

Genauso wie in anderen Branchen ist hierzu auch im öffentlichen Dienst ein Change Management erforderlich – hierbei sind vor allem die Führungskräfte gefragt. Ganz wichtig: Diese müssen ihre Mitarbeiter:innen in die geplanten Veränderungen einbinden und sie auf den neuen Weg „mitnehmen“. Technisches Tools alleine reichen nicht: Benötigt wird ein komplett neues Mindset. Denn hinter den Verwaltungsprozessen stecken Menschen – und die Umstellung von papiergebundenen auf elektronische Workflows bringt für sie eine Vielzahl an Veränderungen mit sich. Diese beziehen sich nicht nur einzelne Arbeitsschritte, sondern auf das gesamte Umfeld in Ämtern und Behörden: Es entsteht eine andere Kultur. Diese umfasst zum Beispiel auch moderne, agile Arbeitsmethoden und das Zusammenarbeiten in Teams. Der gesamte Veränderungsprozess kann nur gelingen, wenn er von den Mitarbeiter:innen mitgetragen wird.

Methoden und Instrumente im Change Prozess

Im modernen Change Management gibt es etablierte Methoden und Instrumente, die erfolgreiche Projekte ermöglichen. Eine gute Schritt-für-Schritt-Einführung ist sinnvoll: Zunächst sollten diejenigen Arbeitsabläufe digitalisiert werden, die für die Mitarbeiter:innen am leichtesten umzusetzen sind und den Bürger:innen den größten Nutzen bieten. Eine digitale Agenda legt dann fest, welche Projekte in welcher Reihenfolge anzugehen sind. Bewährt hat sich, die Implementierung zunächst im kleinen Rahmen zu testen, um bei Fehlern und Problemen nachsteuern zu können. Erst danach geht es in die Breite. Das hilft auch dabei, das notwendige neue Wissen behördenintern weiterzugeben. Denn Digitalspezialisten sind in der deutschen Verwaltung knapp.

Fazit: Digitalisierung als Daueraufgabe

Insgesamt wird die digitale Transformation für den öffentlichen Dienst ein Dauerthema werden. Denn es ist nicht allein mit der Entwicklung und erstmaligen Implementierung digitaler Prozesse getan. Die digitalen Lösungen müssen langfristig betrieben sowie regelmäßig gewartet und aktualisiert werden. Dazu braucht es Erfahrung, Know-how und auch eine entsprechende Personalausstattung. Damit die Neuausrichtung gelingt, sind aber nicht nur IT-Spezialist:innen gefragt, sondern alle Mitarbeiter:innen müssen entsprechend geschult und in den Veränderungsprozess eingebunden werden. Nur so kann es gelingen, den Bürger:innen komfortable Dienstleistungen anzubieten und gleichzeitig innerhalb der Ämter für mehr Effizienz zu sorgen und damit Kosten zu sparen. Agiles Arbeiten ist dabei ein Schlüssel zum Erfolg. Viel Verantwortung liegt in den Händen der Führungskräfte.

Wichtig zu bedenken ist: Behörde ist nicht gleich Behörde. Die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung muss differenziert erfolgen. Große Einrichtungen von Bund und Land können anders agieren als eine kleine Kommune. Gleichzeitig liegt jedoch gerade im deutschen Föderalismus die Gefahr, dass die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung nicht nach einheitlichen Systemen erfolgt und dadurch ineffizient wird. Hinzu kommen bestehende rechtliche Rahmenbedingungen und der Umgang mit besonders sensiblen Daten, die die Digitalisierung im öffentlichen Dienst zu einer besonders anspruchsvollen Aufgabe machen. Allerdings hat die öffentliche Verwaltung den Vorteil, dass sie nicht als Vorreiter bei der Digitalisierung ins Rennen gehen muss, sondern von Erfahrungen aus dem privaten Sektor lernen kann.

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Über den:die Autor:in

Dr. Emily Dang

Dr. Emily Dang ist Produktmanagerin für den Bereich Entgeltabrechnung und TVöD der Haufe Akademie.
Sie war zuvor bei einem namhaften Versicherungsunternehmen als Trainerin für den Außen- und Innendienst tätig und verfügt über umfangreiche Erfahrungen in der Konzeption und Umsetzung von Bildungsmaßnahmen.

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