Digitalisierung, künstliche Intelligenz und hybride Teamführung – dies sind nur einige der Herausforderungen, mit denen Führungskräfte künftig noch mehr konfrontiert sein werden. Darüber hinaus wandeln sich beständig die Ansprüche an die Mitarbeiterführung und die Selbstführung. Welche Strategien und Kompetenzen brauchen Führungskräfte, um in den heutigen dynamischen Umfeldern bestehen zu können? Darüber sprachen wir mit dem Produktmanagement-Team der Haufe Akademie: Sebastian Kindler, Tammy Ritter und Silke Diedrichs. Sie entwickeln das Weiterbildungsportfolio der Haufe Akademie zu den Themen Führung und Management und sind somit Expert:innen auf diesem Gebiet.
Redaktion: Wie wird sich die Rolle von Führungskräften in 2025 verändern und welche Kompetenzen sind für Führungskräfte besonders wichtig?
Sebastian Kindler: Die Rolle von Führungskräften im Jahr 2025 wird stärker denn je davon geprägt sein, in Zeiten von Unsicherheit Stabilität zu schaffen. In einer Welt, die von Polykrisen wie geopolitischen Konflikten, wirtschaftlicher Instabilität und Klimawandel dominiert wird, benötigen Führungskräfte nicht nur ausgeprägte strategische Fähigkeiten, sondern müssen auch mit Empathie handeln, Resilienz fördern und schnelle, werteorientierte Entscheidungen treffen.
Angesichts des permanenten Wandels und der wachsenden Herausforderungen ist es entscheidend, dass Führungskräfte auch ihre eigene Resilienz und Stressbewältigungsfähigkeit stärken. In einer dynamischen und unvorhersehbaren Umgebung ist es wichtig, ruhig, lösungsorientiert und gelassen zu bleiben.
Die Fähigkeit, transformative Prozesse – etwa im Kontext der Digitalisierung – erfolgreich zu begleiten und Innovationen gezielt zu fördern, wird zu einem zentralen wirtschaftlichen Erfolgsfaktor. Dies erfordert strategische Weitsicht und die Kompetenz, die Chancen neuer Technologien aktiv zu nutzen. Da Künstliche Intelligenz (KI) immer mehr an Bedeutung gewinnt, wird der sichere Umgang mit dieser Technologie zu einer essenziellen Kernkompetenz für Führungskräfte.
Darüber hinaus wird es immer wichtiger, heterogene Teams zu führen und eine starke Kommunikationskompetenz sowie professionelles Netzwerkmanagement zu entwickeln. Nur so können Führungskräfte Vertrauen aufbauen und die Zusammenarbeit über hybride und remote Arbeitsmodelle hinweg erfolgreich gestalten. Neben fachlicher Expertise bedarf es dafür auch einer hohen sozialen Intelligenz und Veränderungsbereitschaft. Führungskräfte werden zunehmend als Coaches und Begleiter:innen agieren, die ihre Teams befähigen und eine kontinuierliche Lernkultur etablieren.
Redaktion: Wie wird die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) die Führung verändern?
Sebastian Kindler: Die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) werden die Führung auf mehreren Ebenen grundlegend verändern. Einerseits entlasten sie Führungskräfte von operativen Aufgaben und schaffen dadurch mehr Freiräume für strategische Entscheidungen. Für datenbasierte Entscheidungen ist es jedoch unerlässlich, dass Führungskräfte sicher im Umgang mit KI-gestützten Analysetools sind und die wichtigsten Kennzahlen (KPIs) im Blick behalten.
Andererseits wird Führung künftig noch stärker auf Empathie, Kommunikation und Coaching ausgerichtet sein, da KI zwar Prozesse optimieren kann, jedoch menschliche Intuition und Führungsstärke nicht ersetzen wird. Führungskräfte müssen eine Unternehmenskultur fördern, in der technologische Innovationen verantwortungsvoll genutzt werden.
Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI wird in hybriden Arbeitswelten eine größere Rolle spielen. Führungskräfte agieren dabei als Vermittler:innen und Moderator:innen, die das Potenzial von Mensch und Technologie miteinander verbinden. Gleichzeitig wird der Fokus auf die Förderung von Innovation und einer agilen Denkweise noch stärker in den Mittelpunkt rücken, da KI neue, kreative Ansätze zur Problemlösung ermöglicht.
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Zur Themenwelt Führung und Leadership
Tammy Ritter: Die Digitalisierung und KI verändern grundlegend die Art und Weise, wie Führungskräfte ihre Rolle wahrnehmen. Repetitive, administrative Routineaufgaben können von KI unterstützt und erledigt werden, sodass sich Führungskräfte wieder stärker auf strategische Aufgaben und die Entwicklung ihrer Teams und Mitarbeiter konzentrieren können. Hierbei werden die Soft Skills der Führungskräfte, also menschliche Fähigkeiten wie Kreativität und soziale Kompetenz in der Führung an Bedeutung gewinnen.
Redaktion: In einer zunehmend von VUCA (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) geprägten Welt müssen Führungskräfte in der Lage sein, ihre Teams durch unsichere Zeiten zu navigieren. Welche Strategien empfehlen Sie, um in solch dynamischen Umfeldern Vertrauen und Orientierung zu bieten, sowie klare Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen?
Silke Diedrichs: Führungskräfte brauchen in dieser Zeit der sogenannten Polykrise mehrere Strategien und die Einsicht, dass diese einer ständigen Anpassung bedürfen. Selbstführung und beständig dazulernen zu wollen sind die Grundlagen, auf denen die Strategien fußen können. Change-Kompetenzen – persönliche, fachliche, soziale und methodische – sind dabei ebenso wichtig wie die sogenannten Future Skills.
Das heißt in der Praxis, dass man sich als Führungskraft zunächst eine individuelle Strategie erarbeiten sollte, wie man zwischen eigenem Kompetenzaufbau, den operativen Aufgaben und der Teamführung seine Balance findet. Neben der Resilienz gegenüber der täglichen Anforderungsmenge ist also auch hartes Priorisieren und Zeitmanagement gefragt. Psychologische Sicherheit im Team herzustellen, bildet die Basis der High Performance, die das Team leisten kann.
Effizienz in den Abläufen und der Entscheidungsfindung kann durch den Einsatz von KI- und anderen digitalen Tools sehr unterstützt werden. Ebenso nützlich im Alltagsgeschäft sind die klassischen Werkzeuge der Delegation und situativen Führung, wobei das kluge Verteilen von Verantwortlichkeiten im gesamten Team für Erleichterungen sorgen kann. Der Mental Load der Führungskräfte und der Teammitglieder wird durch eine gute Struktur der Aufgaben und Verantwortungen deutlich gesenkt, wodurch Platz in den überlasteten Köpfen und Raum für Innovationen entsteht.
Redaktion: Was wird von Führungskräften in einer zunehmend remoten und hybriden Arbeitswelt erwartet?
Sebastian Kindler: In einer zunehmend remoten und hybriden Arbeitswelt wird von Führungskräften erwartet, dass sie starke und professionelle Kommunikationsfähigkeiten entwickeln, um Teammitglieder über verschiedene Kanäle hinweg effektiv zu erreichen und zu motivieren. Sie müssen ein hohes Maß an Vertrauen aufbauen, da direkte Kontrolle oft nicht möglich ist. Gleichzeitig ist es wichtig, klare Ziele und Erwartungen zu setzen, die durch regelmäßiges Feedback und transparente Kommunikation gestützt werden. Führungskräfte sollten die Flexibilität besitzen, individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen und dabei eine Kultur der Selbstverantwortung zu fördern. Zudem wird eine hohe digitale Kompetenz erwartet, um virtuelle Tools effizient und professionell einzusetzen und den Wissensaustausch zu fördern. Die Förderung von Teamzusammenhalt und die Pflege von Mitarbeiterbindung trotz räumlicher Distanz sind ebenfalls entscheidende Skills.
Redaktion: Mitarbeiterorientierung und Empowerment: Die Erwartungen der Mitarbeitenden haben sich stark gewandelt – sie fordern mehr Mitbestimmung, Flexibilität und Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit. Wie können Führungskräfte ein Umfeld schaffen, das individuelle Stärken fördert, Eigenverantwortung unterstützt und Raum für persönliches Wachstum bietet?
Tammy Ritter: Führungskräfte können ein förderliches Arbeitsumfeld schaffen, indem sie auf individuelle Stärken ihrer Mitarbeiter:innen setzen, auf sie vertrauen und deren Entwicklung unterstützen. Zudem sollten Führungskräfte ihnen Freiräume geben und Mitbestimmung an Entscheidungen einräumen. Sie sollten offen kommunizieren und eine Fehlerkultur fördern, in der Fehler als Lernchance gesehen werden anstatt bestraft zu werden. Klare, gemeinsam gesetzte Ziele, die mit den Visionen und Missionen des Unternehmens in Einklang stehen, ermöglichen die persönliche und fachliche Entwicklung der Mitarbeiter:innen und stärken die Eigenverantwortung und Sinnhaftigkeit der Arbeit im Unternehmen. So können Führungskräfte die Entfaltung des vollen Potenzials der Mitarbeiter:innen unterstützen und die Möglichkeit geben, sich langfristig engagiert einzubringen.
Redaktion: Wie wird die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden in der Führung von 2025 adressiert?
Tammy Ritter: Führungskräfte können ein gesundes Arbeitsumfeld und eine gesunde Arbeitskultur schaffen, indem sie den Mitarbeitenden Sicherheit durch Verständlichkeit geben, beispielsweise durch das Schaffen klarer Abläufe und Strukturen, transparenter Kommunikation oder einer Beteiligung an Entscheidungen. Klar kommunizierte Ziele und Erwartungen, angemessenes und konstruktives Feedback, die Vermittlung von Sinn und Zweck von Arbeitsaufgaben und Wertschätzung und Anerkennung machen das Arbeitsumfeld für die Mitarbeitenden sinnhaft und handhabbar. Idealerweise kennen Führungskräfte die Handlungsmöglichkeiten und Grenzen beim Thema mentaler Gesundheit und sind darauf vorbereitet, mit etwaigen vorkommenden Notfällen mental belasteter Mitarbeiter:innen angemessen umzugehen und zu agieren.
Sebastian Kindler: Senior-Führungskräfte und Manager haben eine starke Vorbildwirkung im Unternehmen. Sie können so in hohem Maße eine gesunde Arbeitskultur fördern, indem sie selbst als Vorbilder für ein achtsames und gesundes Arbeitsumfeld auftreten. Dabei ist es wichtig, dass Führungskräfte selbst auf eine ausgewogene Work-Life-Balance achten.
Das Thema mentale Gesundheit sollten sie aktiv ansprechen, um eine offene, unterstützende Kommunikation zu ermöglichen. Dazu gehört, Stress als normalen Bestandteil des Arbeitsalltags zu erkennen und den Mitarbeitern zu helfen, gesunde Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Führungskräfte sollten in ihrem Maße flexible Arbeitsmodelle unterstützen, die den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht werden.
Wichtig ist auch, dass Führungskräfte mentale Gesundheit nicht nur als individuelles, sondern auch als kollektives Thema betrachten. Sie können entsprechende Angebote wie Coaching, Mentoring oder Zugang zu psychologischer Unterstützung bereitstellen. Die Unternehmensführung kann eine Kultur schaffen, in der der Abbau von Stigmatisierungen im Zusammenhang mit psychischen Belastungen eine hohe Priorität hat. Das bedeutet, aktiv auf Prävention und frühzeitige Intervention zu setzen und einen respektvollen Umgang mit den Grenzen der Mitarbeiter zu fördern.
Redaktion: Wie können Führungskräfte selbst resilient und leistungsfähig bleiben?
Sebastian Kindler: Führungskräfte können ihre eigene Resilienz stärken, indem sie regelmäßig ihre persönliche Balance zwischen Arbeit und Erholung prüfen und bewusst Pausen einplanen, um Burnout vorzubeugen. Eine starke Resilienz beginnt mit einem gesunden Lebensstil, der regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf und eine ausgewogene Ernährung umfasst. Zudem ist es wichtig, ein starkes soziales Netzwerk aufzubauen, sei es innerhalb des Unternehmens oder privat, um sich gegenseitig zu stützen.
Mentale Resilienz lässt sich durch Achtsamkeitstechniken wie Meditation oder Reflexion fördern, um stressige Situationen besser zu managen. Führungskräfte sollten außerdem ihre eigene Flexibilität und Anpassungsfähigkeit trainieren, indem sie sich kontinuierlich weiterbilden und offen für Veränderungen bleiben. Ein klarer Fokus auf persönliche Werte und eine starke Vision können dabei helfen, auch in schwierigen Zeiten den Überblick zu behalten. Wichtig ist auch, sich selbst regelmäßig Feedback zu holen und gegebenenfalls Unterstützung zu suchen, um die eigene mentale Gesundheit und Leistungsfähigkeit langfristig zu erhalten.
Silke Diedrichs: Was oft vergessen wird, ist das Thema des Strategieabgleichs. Als Führungskraft ist man Teil des Systems, integriert in eine Firmenstruktur, die eine Vision und Mission verfolgt. In der Transformation der Arbeitswelt ändern sich auch die Visionen, Werte und Strategien von Unternehmen. Wenn man den Abgleich mit den eigenen Werten verpasst, reibt man sich als Führungskraft schnell auf. Daher sollte man die Basis der eignen Entscheidungen, seinen Wirkungsspielraum und seine Werte immer mal wieder überprüfen, um zu bemerken, wenn diese Dinge nicht länger zusammenpassen.
Redaktion: Wie wird die Bedeutung von Unternehmenswerten und Kultur im Leadership der Zukunft aussehen?
Sebastian Kindler: Deren Bedeutung von Unternehmenswerten und der Kultur wird immer weiter zunehmen, da sie eine immer stärkere und zentrale Rolle bei der Mitarbeiterbindung und -motivation spielen. Im „War of Talents“ geben gerade diese Faktoren den Ausschlag bei Bewerber:innen, sich für oder gegen ein Unternehmen zu entscheiden. Führungskräfte müssen dabei als authentische Vorbilder agieren, die die Unternehmenswerte aktiv vorleben. Diese Werte werden zunehmend als Maßstab für Entscheidungen und Führungshandeln dienen. Eine starke Unternehmenskultur, die auf Vertrauen, Transparenz und Inklusion basiert, wird entscheidend für die Zusammenarbeit in hybriden und vielfältigen Teams sein.
Zudem wird die Fähigkeit, eine werteorientierte Kultur in Zeiten des Wandels und auch in Krisen aufrechtzuerhalten, eine Schlüsselkompetenz für Führungskräfte. Die Kultur wird als Wettbewerbsvorteil betrachtet, der hilft, Talente anzuziehen und die Agilität des Unternehmens zu stärken. Führungskräfte müssen sicherstellen, dass diese Werte in allen Ebenen des Unternehmens und ihren Verantwortungsbereichen gelebt werden. So schaffen sie eine Kultur, die Innovation fördert, Verantwortung übernimmt und eine hohe ethische Verantwortung hat. Letztlich wird der Erfolg von Unternehmen auch von der Fähigkeit abhängen, Werte und Kultur als stabilisierende Faktoren in einer zunehmend disruptiven Arbeitswelt zu integrieren.
Redaktion: Welche Rolle spielen Diversität und Inklusion im Leadership der Zukunft?
Tammy Ritter: Diversität und Inklusion spielen im Leadership der Zukunft eine entscheidende Rolle. Führungskräfte müssen ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem alle Mitarbeiter:innen ihre Potenziale, unabhängig von Merkmalen wie Geschlecht, Herkunft, Alter usw. entfalten können. Divers aufgestellte Teams bringen mehr Kreativität und Problemlösungskompetenz mit, wodurch auch bessere Entscheidungen getroffen werden können. Inklusives Führen bedeutet gezielt Vorurteile abzubauen, faire Chancen zu bieten und die Einzigartigkeit und Stärken jedes Einzelnen wertzuschätzen. Dies stärkt nicht nur das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeitenden, sondern auch deren Engagement und Loyalität zum Unternehmen und trägt somit zur Mitarbeitergewinnung und -bindung bei.
Im Interview mit Silke Diedrichs, Tammy Ritter und Sebastian Kindler, die Produktmanagerin bzw. der -manager der Haufe Akademie für die Themen Führung und Management.