Monochrone und polychrone Zeitkulturen: Time is money?

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Zeit für mehr Vielfalt! Gelebte Diversität in Unternehmen bedeutet ein breites Spektrum an geschlechtlichen Identitäten, sozialer Herkunft oder unterschiedlichen Altersgruppen. Gerade in einer zunehmend globalisierten Arbeitswelt treffen verschiedene kulturelle Hintergründe und Nationalitäten aufeinander. Unternehmen profitieren von vielfältig zusammengesetzten Projektteams – aber worauf müssen sie achten?
Nicht nur die Sprache, auch das Zeitempfinden unterscheidet sich in vielen Kulturen. In der westlichen Welt gilt vielerorts das Motto „Time is money“. Es gilt, Zeit möglichst effizient zu nutzen.

Monochrone Kulturen (v. a. Mittel- und Nordeuropa sowie angelsächsische Kulturen) erleben Zeit als messbar und linear. Sie konzentrieren sich auf zukunftsorientiertes Handeln. Dazu werden Arbeitsabläufe strukturiert geplant und nacheinander abgearbeitet. Pünktlichkeit spielt eine große Rolle, oft verbunden mit dem sprichwörtlichen „keine Zeit verlieren”.

Südeuropa, Asien, Russland und der arabische Kulturraum gelten als polychrone Kulturen. Sie verstehen Zeit eher als synchronen Kreislauf und stellen zwischenmenschliche Beziehungen in den Vordergrund. Netzwerke und Small Talk sind ihnen besonders wichtig, denn jedes Problem lässt sich über Beziehungen lösen. Sie gehen daher eher flexibel mit strukturierten Zeitplänen und Deadlines um.

Arbeitsabläufe planen: strukturierte Pläne vs. kreatives Multitasking

Diese unterschiedlichen Zeitverständnisse beeinflussen häufig die interkulturelle Zusammenarbeit und Arbeitsabläufe in divers aufgestellten Teams. Die Grafik en stellen die unterschiedlichen Planungsstile dar. Monochrone Kulturen zeichnen sich durch ein grundsätzlich strukturiertes, lineares Vorgehen aus. Polychrone Kulturen hingegen bewegen sich auf mehreren Ebenen gleichzeitig und dynamisch. Prozesse und Vorgehensweisen werden immer wieder flexibel an die aktuelle Situation angepasst.

Aber welches Modell ist besser? Das lässt sich nicht pauschal entscheiden. Die meisten Menschen fühlen sich eher mit der einen oder anderen Variante wohl. Oft ist damit auch die Überzeugung verbunden, dass diese Variante die bessere ist. Viele Kulturen haben einen anderen Umgang mit Planung und Zeit, was oft zu Missverständnissen führt.

Warum ist das so? Polychron orientierte Gesellschaften empfinden ein monochrones Zeitverständnis als starr und unflexibel. Monochron geplante Abläufe lassen in ihren Augen zu wenig Raum für Spontaneität und zwischenmenschliche Beziehungen treten häufig in den Hintergrund. Zudem ist es bei durchgeplanten Abläufen schwieriger, in einen gewissen „Flow” zu kommen. Umgekehrt empfinden monochron geprägte Kulturen ein polychrones Zeitverständnis oft als ineffizient und chaotisch. Sie ziehen es vor, Aufgaben Schritt für Schritt abzuarbeiten.

Monochron oder polychron? Jede:r tickt anders

Treffen die beiden Zeitverständnisse aufeinander, sind Konflikte vorprogrammiert. Sie entstehen vor allem in sehr unterschiedlichen (Team-)Konstellationen oder im internationalen Kontext, wenn verschiedene Kulturkreise aufeinandertreffen.

Stellen Sie sich zum Beispiel vor, ein neues Teammitglied aus einem polychronen Kulturkreis kommt regelmäßig zu spät zu Besprechungen und nimmt in dieser Zeit gerne Anrufe entgegen. Sie möchten der Person klarmachen, dass dieses Verhalten für Sie problematisch ist. In der gegebenen Situation ist es sehr wahrscheinlich, dass ein:e Kolleg:in aus einem polychronen Kulturkreis kein Bewusstsein dafür hat, dass Pünktlichkeit in Deutschland sehr stark mit Respekt verknüpft ist und Unpünktlichkeit daher leicht persönlich genommen werden kann.

Wie würden Sie mit dieser Situation umgehen? Oft hilft ein klärendes Gespräch unter vier Augen, um die gegenseitigen Beweggründe zu verstehen und eine gemeinsame Basis zu finden.

Fazit: Zeitverständnisse miteinander vereinbaren

In Ihrem Team herrscht Einigkeit über das gemeinsame Zeitverständnis? Dann haben Sie Glück und liegen auf einer Wellenlänge! Falls nicht: Investieren Sie doch etwas Zeit, um die vielfältigen Arbeitsweisen miteinander in Einklang zu bringen.

So schaffen Sie die Basis für eine gute Zusammenarbeit und können die individuellen Zeitvorstellungen besser berücksichtigen. Dabei müssen Sie sich nicht unbedingt auf eine monochrone oder polychrone Planung einigen: Vielleicht ist auch eine Mischung aus beiden Zeitkulturen der goldene Mittelweg für erfolgreiche Projekte. Ein gemeinsamer Erwartungsabgleich schafft dafür die Basis.

Vielleicht nicht in jedem Arbeitsalltag umsetzbar, aber dennoch ein Denkanstoß zum Schluss:

In einem spannenden Phänomen aus Japan treffen Effizienz und Entspannung in extremer Weise aufeinander. „Inemuri“ („anwesend sein und schlafen“) beschreibt einen Zustand, in dem körperliche Anwesenheit mit Schlaf kombiniert wird. Gleichzeitig in einer Besprechung sein und etwas Schlaf nachholen? „Inemuri” macht es möglich …

Selbsttest: Welches Zeitverständnis habe ich?

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Online-Redaktion

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