Obwohl der Begriff Buying Center zunächst etwas anderes vermuten lässt, handelt es sich hierbei nicht um den Funktionsbereich einer Einkaufsabteilung. Unter einem Buying Center werden alle Personen innerhalb einer Organisation verstanden, welche in irgendeiner Weise an einem Beschaffungsprozess beteiligt sind. Unabhängig vom jeweiligen Fachbereich oder der hierarchischen Ebene.
Fachkräfte aus der Fertigung können genauso Buying Center-Teilnehmende sein, wie IT-Professionals oder die Geschäftsführung. Innerhalb der verschiedenen Branchen können zahlreiche Funktionsbezeichnungen existieren, welche dir während eines Beschaffungsprozesses begegnen.
Wie verringern Buying Center-Rollen die Komplexität im Verkaufsprozess?
Die unterschiedlichen Perspektiven ermöglichen es Unternehmen, komplexe Beschaffungsentscheidungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu analysieren und Beschaffungsrisiken besser einzugrenzen. Jedoch existieren auch in einem Buying Center zahlreiche divergierende Zielsetzungen, da die Führungskraft eines Produktionsbereichs tendenziell andere Interessen verfolgt als das zahlenorientierte Controlling-Team. Dies erschwert eine zielgruppenorientierte Verkaufsargumentation deutlich.
Was ist ein Buying Center?
Werden im Privatkundensegment Konsumgüter verkauft, ist die Personenanzahl auf Kundenseite üblicherweise überschaubar. Meist handelt es sich um Einzelpersonen, hin und wieder um Familien oder Freundeskreise. Im Geschäftskundensegment sieht das anders aus. Ein Buying Center kann sich aus einer hohen einstelligen oder sogar zweistelligen Personenanzahl zusammensetzen. Für Anbietende bedeutet eine Buying Center-Analyse aktives Risikomanagement, da nicht identifizierte Rollen zu gefährlichen Deal Breakern werden könnten.
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Fallbeispiel CRM-Software
Sollen Papier, Bleistift und Excel einem CRM-System weichen, ist es für Unternehmen ratsam, sich auf einen komplexen Beschaffungsprozess vorzubereiten. Denn Interessenkonflikte sind hier vorprogrammiert. Während Vertriebsmitarbeitende einen zeitraubenden Verwaltungsaufwand scheuen, wird die gewissenhafte Datenpflege durch das Vertriebsmanagement und Vertriebscontrolling eingefordert, um die Vertriebsperformance überwachen zu können. Fließen diese Performancedaten als Beurteilungskriterien in zukünftige Mitarbeiterjahresgespräche ein, kann ein solcher Interessenkonflikt eskalieren und den Betriebsrat in das Buying Center locken.
Wer sind die Mitglieder eines Buying Centers?
Losgelöst von ihrer Funktionsbezeichnung lassen sich Buying Center-Teilnehmende sechs stereotypischen Rollenbildern zuordnen, aus denen sich charakteristische Interessen, Bedürfnisse und Bewertungskriterien ableiten lassen:¹
Initiator:in: Diese Rolle bringt den Stein ins Rollen. Sie erkennt den Kundenbedarf und löst den Beschaffungsprozess aus. Wenn Initiatoren und Initiatorinnen persönlich von einem Bedarfsfall betroffen sind, können diese auch gleichzeitig Nutzende oder Entscheidende sein.
Nutzer:in: Hierbei handelt es sich um die Person, die das zu beschaffende Wirtschaftsgut später nutzen soll. Nutzende verfügen häufig über bedeutende Fachkenntnisse, mit welchen sie den Beschaffungsprozess beeinflussen können. Typische Funktionsbezeichnungen sind beispielsweise Fertigungsmitarbeitende oder Softwareanwendende.
Entscheider:in: Entscheider und Entscheiderinnen geben das benötigte Budget frei und sind legitimiert, wichtige Teilentscheidungen sowie die finale Beschaffungsentscheidung zu treffen. Häufige Funktionsbezeichnungen sind beispielsweise Geschäftsführer und -führerin oder Abteilungsleiter und -leiterin.
Einkäufer:in: Diese Rolle befasst sich mit den formellen Aspekten des Beschaffungsprozesses. Hierzu zählen auch die Vereinbarung der Liefer- und Zahlungsbedingungen. Mögliche Funktionsbezeichnungen sind zum Beispiel Facheinkäufer beziehungsweise Facheinkäuferin sowie Rechtsanwalt und Rechtsanwältin.
Beeinflusser:in: Beeinflusser und Beeinflusserinnen verfügen über spezifisches Prozess- und Fachwissen, das sie in die Entscheidungsfindung miteinfließen lassen und können dadurch erreichen, dass bestimmte Produktmerkmale während einer Angebotsprüfung berücksichtigt werden. Typische Funktionsbezeichnungen sind beispielsweise Inhouse-Berater und -Beraterin oder Controller und Controllerin.
Informationsselektierer:in: Diese Rolle wird auch als Gatekeeper beziehungsweise Gatekeeperin bezeichnet. Sie steuert den Informationsfluss innerhalb des Buying Centers sowie zwischen dem Buying Center und den Anbietenden. Häufige Funktionsbezeichnungen sind beispielsweise Zentralist und Zentralistin oder Assistent und Assistentin.
Wie funktioniert ein Buying Center?
Die unterschiedlichen Buying Center-Rollen tragen durch ihre individuellen Perspektiven und ihren jeweiligen Tätigkeitsschwerpunkten zu einer rationalen Entscheidungsfindung sowie einer Begrenzung des Beschaffungsrisikos bei.
Typischerweise fließen mit den verschiedenen Personen auch subjektive sowie rollenspezifische Interessen, Bedürfnisse und Bewertungskriterien in die Beschaffungsentscheidung mit ein. Während die charakteristische Schwerpunktsetzung von Entscheidenden häufig auf übergeordneten Unternehmenszielen liegt (Wirtschaftlichkeit, Return on Investment), erhoffen sich Nutzende eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen (Optimierung der Arbeitsabläufe, komfortable Anwendung). Dies macht sich auch in den jeweiligen Bewertungskriterien bemerkbar, anhand derer der subjektive Nutzen eines Produkts oder einer Dienstleistung beurteilt wird.
Welche Rolle spielt die Analyse?
Eine Buying Center-Analyse legt das Fundament für eine zielgruppenorientierte Verkaufsstrategie im Geschäftskundensegment. Wird lediglich eine Bedarfsanalyse durchgeführt, ohne die unterschiedlichen Buying Center-Teilnehmenden zu berücksichtigen, greift dies für die Vorbereitung der Verkaufsstrategie zu kurz. Neben einer Identifikation der einzelnen Buying Center-Teilnehmenden erfolgt in einer Buying Center-Analyse auch die Zuordnung in eine der sechs möglichen Rollen sowie eine Untersuchung der individuellen Interessen, Bedürfnisse und Bewertungskriterien.
Weiterführend empfiehlt es sich auch Einflussfaktoren aus dem Unternehmensumfeld, organisationale Faktoren und interpersonelle Beziehungen zwischen den Buying Center-Teilnehmenden zu berücksichtigen.
Effektive Kommunikationsstrategien
Ein wesentliches Element jeder effektiven Verkaufsargumentation ist die Zusammenführung produktspezifischer Merkmale mit den individuellen Interessen, Bedürfnissen und Bewertungskriterien der Teilnehmenden.
Möchten Nutzer und Nutzerinnen mit der Neuanschaffung einer Buchhaltungssoftware eine Erleichterung ihrer Arbeitsabläufe erreichen, ist es für die Verkaufsargumentation nicht zielführend, den Return on Investment (ROI) oder die IT-Sicherheit in den Vordergrund zu stellen. Gelingt es stattdessen, in einer Live-Demo das Gefühl einer komfortablen und reibungslosen Nutzung zu vermitteln, sehen die Chancen deutlich besser aus, Nutzer und Nutzerinnen für das Angebot zu begeistern.
Für die Konzeption deiner Kommunikationsstrategie solltest du dich daher an den drei nachfolgenden Schritten orientieren:
Schritt 1: Bedürfnisse und Interessen identifizieren
Erkundige dich nach den Bedürfnissen und Interessen der einzelnen Teilnehmenden. Verschaffe dir einen Eindruck davon, auf welche Weise das zu beschaffende Wirtschaftsgut ihr Leben zukünftig erleichtern soll. Frage auch nach organisations- oder abteilungsspezifischen Zielen, die mit der Beschaffungsentscheidung einhergehen.
Schritt 2: Bewertungskriterien verstehen
Informiere dich über die Bewertungskriterien der unterschiedlichen Teilnehmenden. Kläre mit deinen Gesprächspartnern und -partnerinnen, nach welchen Maßstäben die eingehenden Angebote beurteilt werden. In diesem Schritt geht es darum zu verstehen, was das Angebot leisten sollte, um für die Beschaffungsentscheidung berücksichtigt zu werden. Es kann auch sinnvoll sein, zu klären, wer die Teilnehmenden des jeweiligen Buying Centers sind. Zum Beispiel haben zahlenorientierte Personen andere Bedürfnisse als Praktiker und Praktikerinnen, die Produkte vor einer Beschaffungsentscheidung gerne erstmal sehen und anfassen möchten.
Schritt 3: Angebot-Bedürfnis-Transfer herstellen
Überprüfe die einzelnen Merkmale deines Angebotes daraufhin, inwieweit diese die Bedürfnisse und Interessen der jeweiligen Buying Center-Teilnehmenden adressieren. Analysieren Beinflussende dein Angebot anhand harter wirtschaftlicher Kriterien, wie eine Senkung der variablen Stückkosten, kann es förderlich sein, zum Beispiel konkrete Fallstudien und Produktvergleiche in die Verkaufsargumentation einzubeziehen.
Herausforderungen und Lösungen im Umgang mit dem Buying Center
Eine Buying Center-Analyse umzusetzen, bedeutet gleichzeitig auch eine Risikoanalyse durchzuführen. Neben der Identifikation relevanter Personen in der Kundenorganisation und der Ableitung einer adressatenorientierte Verkaufsstrategie können auch potenzielle Stolpersteine für den Verkaufsprozess identifiziert und proaktiv angegangen werden.
Opponentenpositionen: Opponent:innen sind Buying Center-Teilnehmende, welche sich gegen das Angebot positionieren. Je nach Einfluss können sich Opponent:innen als mehr oder weniger problematisch für den Verkaufsprozess erweisen. Sie können beispielsweise Beschaffungsentscheidungen verzögern oder den Nutzen des Angebots innerhalb der Kundenorganisation öffentlich anzweifeln.
Stehen beispielsweise Automatisierungslösungen zum Verkauf, kann das bei Nutzenden Sorgen auslösen, wie etwa den Verlust ihres Arbeitsplatzes oder eine Schmälerung ihres internen Einflusses. Folglich stellen sie sich gegen dein Angebot.
Die beste Strategie besteht darin, die Entstehung von Opponenten und Opponentinnen proaktiv zu verhindern. Sei wachsam, wenn du Interessenkonflikte erkennst oder Sorgen auftreten, die mit deinem Angebot in Zusammenhang gebracht werden. Zeige auf, wie dein Angebot unterschiedliche Interessen in Einklang bringen kann und welche positiven Möglichkeiten sich daraus für die einzelnen Buying Center-Teilnehmenden ergeben.
Vetorollen: Organisationale Beschaffungsentscheidungen können unterschiedliche Risiken bergen. Diese Risiken können sowohl einzelne Mitarbeitende als auch die gesamte Organisation empfindlich treffen. Bei Verdacht auf solche Risiken können sich Vetorollen in den Beschaffungsprozess einschalten. Hierzu gehören in der Praxis beispielsweise Mitglieder des Betriebsrats sowie Mitarbeitende des Datenschutzes. Werden Mitarbeiterinteressen verletzt oder treten datenschutzrechtliche Probleme auf, kann eine Vetorolle den Beschaffungsprozess so lange blockieren bis eine Lösung gefunden wurde, oder diesen sogar vollständig zum Erliegen bringen.
Der frühzeitige Einbezug von Vetorollen spart wertvolle Zeit im Verkaufsprozess. Durch eine adressatenorientierte und wirkungsvolle Kommunikationsstrategie kann zudem das Risiko reduziert werden, dass Vetorollen eine Opponentenposition einnehmen.
FAQs: Buying Center
Was unterscheidet ein Buying Center von einer einzelnen Einkaufsperson?
Die typische Käufergruppe innerhalb des Privatkundensegmentes sind einzelne Einkaufspersonen, beziehungsweise Individualentscheidende. Diese sind in der Lage autonom und ohne Absprache Beschaffungsentscheidungen zu treffen. Beschaffungsentscheidungen im Geschäftskundensegment werden in der Regel multipersonal getroffen. Mitarbeitende unterschiedlicher Fachbereiche und Hierarchieebenen finden sich dann in einem Buying Center zusammen, um Angebote aus verschiedenen Perspektiven heraus zu beurteilen.
Wie kann man den Einfluss einzelner Teilnehmer:innen eines Buying Center messen?
Buying Center-Teilnehmende wirken kollektiv an einem Beschaffungsprozess mit. Der Einfluss der einzelnen Teilnehmenden hängt dabei von der wahrgenommen Rolle, der hierarchischen Position innerhalb einer Organisation und dem interpersonellen Einfluss auf andere Buying Center-Teilnehmende ab.
Welche Fehler sollte man beim Umgang mit einem Buying Center vermeiden?
Ein häufiger Fehler ist eine einseitige Kommunikation über Informationsselektierer und -selektiererinnen. Werden diese als Vermittelnde zwischen dir und den übrigen Buying Center-Teilnehmenden genutzt, besteht die Gefahr, dass entscheidungsrelevante Argumente nicht, unvollständig oder in verzerrter Form an diese herangetragen werden.
Schlussfolgerungen: Zusammenfassung und nächste Schritte
Eine Buying Center-Analyse bietet ein stabiles Fundament, auf dem eine wirkungsvolle Verkaufsstrategie errichtet werden kann. Sie ermöglicht den proaktiven Umgang mit multipersonalen Verkaufssituationen und eine deutliche Reduktion der damit einhergehenden Komplexität. Einige Verkäufer und Verkäuferinnen scheuen den Aufwand, den die Durchführung einer Buying Center-Analyse mit sich bringt. Bleibt diese aus, ist eine adressatenorientierte Kommunikationsstrategie allerdings nahezu ausgeschlossen und das frühzeitige Verhindern potenzieller Deal Breaker für den Verkaufsprozess nicht mehr möglich.
¹ Webster, Wind 1972; Bonoma 1982.