Kürzere Produktlebenszyklen sowie stark individualisierte Produkte und Dienstleistungen mit steigender technischer Komplexität erfordern intelligente Lösungen in Produktentwicklung und Produktherstellung. Einkäufer:innen, die mit stark ausgeprägten kaufmännischen Aufgaben beschäftigt sind, müssen zunehmend auch technische Aspekte und Anforderungen innerhalb des Produktentstehungsprozesses verstehen, gewichten und fundiert beurteilen können.
Eines ist sicher: Unternehmen, die auch zukünftig erfolgreich in ihren vertrauten Märkten agieren und zusätzlich neue Märkte erschließen möchten, müssen sich auf einen rasanten internen und externen Veränderungsprozess einstellen.
Die fortschreitende Öffnung der Weltmärkte und die stetig ansteigenden Anforderungen von Kundinnen und Kunden sind nur einige wenige Aspekte, die den Veränderungsprozess ausmachen. Die steigende Anzahl von globalen Anbietern, die zu weitaus günstigeren Kosten entwickeln und produzieren können, die zunehmende Diversifizierung sowie die immer kürzer werdenden Innovationszyklen verschärfen die Problematik.
Gleichzeitig nimmt das technologische und unternehmerische Know-how bei den Mitbewerbenden in den Niedriglohnmärkten stetig zu. Dies erhöht zusätzlich den Druck auf die Veränderungsgeschwindigkeit innerhalb der Unternehmen in den Hochlohnmärkten und macht eine zusätzliche Diversifizierung der Leistungen in Bezug auf die Orientierung von Kundinnen und Kunden erforderlich.
Austausch von Wissen und interdisziplinäre Zusammenarbeit
Durch eine erfolgreiche Kombination von verschiedenen Technologien und technologischen Verfahren bzw. Teilprozessen aus den unterschiedlichsten Disziplinen ergeben sich ganz neue Möglichkeiten für die Unternehmen, das interne Wissen und die vorhandenen Ideen in innovative Produkt- und Prozesslösungen umzusetzen.
Für eine erfolgreiche Realisierung sind zum Teil hochkomplexe Teillösungen notwendig, für deren Ausarbeitung effiziente interdisziplinäre Teams mit den betrieblichen Funktionen Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Qualität, Logistik und Vertrieb erforderlich sein werden.
Da typischerweise heute in der produzierenden Industrie mehr als die Hälfte des Umsatzes, in manchen Branchen (wie der Automobilindustrie) noch weitaus mehr, und bis zu 75 % der Herstellkosten für den Materialeinsatz und dessen Beschaffung aufgewendet werden, kommt dem Bereich der Beschaffung eine hohe Bedeutung zu. Die traditionelle und primäre Ausrichtung des Bereiches auf Kostensenkungen und die fortwährende Suche nach immer kostengünstigeren Lieferanten in fernen Beschaffungsmärkten kann insbesondere für Technologieunternehmen ein kontraproduktiver Ansatz sein. Gerade für Technologieführer ist es entscheidend, dass über die Vernetzung verschiedener Fachdisziplinen – und dies schließt die Integration der strategischen Lieferanten zwingend mit ein – ein signifikanter Beitrag zur Innovationsfähigkeit des Unternehmens geleistet wird.
Einkäufer:innen brauchen technisches Verständnis
Damit wachsen nicht nur die funktionsbezogenen Anforderungen an Fach- und Methodenkompetenzen, sondern auch in entscheidendem Maße an die sozialen und technischen Kompetenzen. Insbesondere im Prozess der Produktentwicklung sowie der anschließenden Gestaltung und Herstellung der Erzeugnisse müssen die Einkäufer:innen heutzutage zum Teil spezielle technische Grundkenntnisse aufweisen. Neben den fundierten Kenntnissen der eigenen Produkte und Dienstleistungen müssen die erforderlichen Fertigungsverfahren und -technologien, Maschinen und Werkzeuge sowie die benötigten Werkstoffe und deren Eigenschaften bekannt sein.
Early Involvement – frühzeitige Einbindung des Einkaufs in den Produktentwicklungsprozess
Durch dieses Know-how wird zum einen gewährleistet, dass die Einkäufer:innen im internen Produktentwicklungs- und Produktentstehungsprozess als gleichwertiger Gesprächspartner akzeptiert und frühzeitig bei Neuentwicklungen eingebunden werden. Denn vielfach, insbesondere im Mittelstand, wird als Grund für die Nichtinvolvierung des Einkaufs das fehlende technische Know-how genannt. Die Erfahrungen zeigen, dass bei frühzeitiger Einbindung des Einkaufs und auf diesem Wege ökonomischer Entscheidungsfindungen sowie Transparenz in der Produktentwicklungsphase, Unternehmen auf Sicht von drei Jahren bis zu 20 % ihrer Beschaffungskosten einsparen können.
Zum anderen werden neben den internen Gegebenheiten die Voraussetzungen geschaffen, die das Agieren im Beschaffungsmarkt erheblich vereinfachen sowie die Zusammenarbeit und insbesondere die Kommunikation mit den Lieferanten verbessern.
Durch den fundierten technischen Background gestalten sich die Auswahl und die Bewertung von neuen und bereits im Lieferantenportfolio befindlichen Zulieferanten professioneller. Darüber hinaus können Beschaffungsrisiken besser eingeschätzt und bewertet, Lieferantenangebote und -preisangaben anhand von effektiven Preisstrukturanalysen auf Sachlichkeit geprüft und Vertragsverhandlungen auf gleicher Höhe mit dem Lieferanten geführt werden.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die berufsbegleitende Weiterbildung und der Umgang mit Wissen in einer multidisziplinären Organisation wird damit für die Unternehmen zunehmend zum entscheidenden Erfolgsfaktor für die Sicherstellung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, der Entwicklung und der Herstellung innovativer, kundinnen- und kundenorientierter sowie kostenoptimierter Produkte und Dienstleistungen.