Nachhaltigkeit und Digitalisierung

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Dr. Alexandra Hildebrandt ist Publizistin, Herausgeberin und Nachhaltigkeitsexpertin. Sie studierte Literaturwissenschaft, Psychologie und Buchwissenschaft. Anschließend war sie viele Jahre in oberen Führungspositionen der Wirtschaft tätig. Für die Haufe Akademie beantwortet Sie exklusiv Fragen zu den Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

Warum sind Nachhaltigkeit und Digitalisierung die wichtigsten Themen unserer Zeit?

Märkte verändern sich heute durch enorme technologische Digitalisierungsfortschritte, aber auch durch eklatante ökologische und gesellschaftliche Nachhaltigkeitsdefizite. Unternehmen können dies als Chance nutzen, aber auch davon überrollt werden. Prozesse müssen deshalb in sinnvollen Bereichen digitalisiert und Kernkompetenzen in neue Geschäftsmodelle und Marktbereiche integriert werden. Wichtig ist, dass dies abgestimmt ist auf eine unternehmerische Nachhaltigkeitsstrategie. Beide Themen sind miteinander verschmolzen, denn die Digitalisierung kann auch dazu beitragen, ökologische Probleme zu lösen. Dazu gehört zum Beispiel auch die Entwicklung von neuen Modellen für eine digital gestützte Kreislaufwirtschaft. Über Methoden künstlicher Intelligenz können aber auch neue umweltschonende Materialien entdeckt werden, die weniger Ressourcen verbrauchen und leichter abbaubar sind.

Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die umweltpolitische Digitalagenda des Bundesumweltministeriums?

Sie leistet einen wichtigen Beitrag zu einer zukunftsfähigen Gestaltung eines der bedeutendsten Innovationsfelder der Gegenwart und umfasst mehr als 70 Maßnahmen, von denen einige schon auf den Weg gebracht wurden. Ziel ist es, die Digitalisierung in umweltverträgliche Bahnen zu lenken, aber auch ihre Chancen für den Klimaschutz zu nutzen. Die Digitalagenda des Bundesumweltministeriums ist die erste Strategie in Europa, die Digitalisierung und Umweltschutz konsequent miteinander verbindet. Begrüßenswert ist, dass der Fokus nicht ausschließlich auf den technischen Möglichkeiten liegt, sondern auch die Förderung von sozialen Innovationen sowie eine digitale Plattform für sozial-ökologische Innovationen vorgesehen sind. Das Umweltministerium möchte die fortschreitende Digitalisierung so gestalten, dass sie die Energie-, Mobilitäts- und Agrarwende und den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft unterstützt und beschleunigt.

Welche Rolle spielt dabei die CSR (Corporate Social Responsibility) -Berichtspflicht?

Mit der CSR-Berichtspflicht rückte das Thema Nachhaltigkeit endgültig auf die Agenda der Vorstände, Geschäftsführer:innen und Führungskräfte. Zudem ist die Überwachung durch den Aufsichtsrat in der EU-Richtlinie verankert, was zur Folge hat, dass CSR immer mehr in die bestehenden Steuerungs- und Kontrollmechanismen in den Unternehmen integriert wird. Es reicht heute nicht mehr, das Thema heterogen zu behandeln, wie es in der Vergangenheit häufig getan wurde. Erst durch den gesetzgeberischen Druck, die EU-Richtlinie und die CSR-Berichtspflicht erhielt das Thema die entsprechende Aufmerksamkeit bis in die obersten Führungsebenen. Durch das Gesetz werden auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) berührt, da sie den Wertschöpfungsketten der Großunternehmen oft vorgelagert sind und deshalb die entsprechenden CSR-Anforderungen erfüllen und transparent belegen müssen.

Welche Rolle spielen im Kontext der Digitalisierung Fortbildung und Qualifizierung?

Spezialkenntnisse können im Komplexitätszeitalter sehr schnell veralten. Das Thema erfordert deshalb Fortbildung, Qualifizierung, Prozess- und Medienkompetenz gleichermaßen, denn nur wer mit dem digitalen Wandel zurechtkommt, wird künftig eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Es werden derzeit zwar immer mehr neue Technologien eingeführt, doch mangelt es vor allem in Deutschland branchenübergreifend an digitaler Kompetenz – häufig bis in die obersten Führungsetagen. Dabei ist sie ein entscheidender Faktor für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Den innerbetrieblichen digitalen Transformationsprozess richtig zu meistern, ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit.

Was braucht es, um mit dem digitalen Wandel richtig umzugehen?

Digitale Kompetenzen werden in Zukunft immer wichtiger. Doch sie allein werden nicht ausreichen, um ein voll gelebtes Leben zu führen. Es braucht auch Schwergewichte des Handelns und den praktischen Zugriff auf die Welt der Dinge. Die „digitale Talentlücke“, die Differenz zwischen der Nachfrage und dem Angebot an digitalen Talenten, vergrößert sich immer mehr. Auch sollten sich Traditionsunternehmen und Mittelständler fragen, welche Dienstleistungen oder Produkte sie anbieten können, und sich über ihren Kern bewusst sein. Im Mittelstand ist zwar ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Digitalisierung vorhanden, doch fehlt es häufig an Entscheidungen. Der Grund dafür ist vor allem mangelndes Wissen über die richtigen Technologien für die jeweilige Markt- und Kundensituation. Wer digitale Prozesse richtig managen will, braucht außerdem ein tiefergehendes Verständnis der eigenen Unternehmenskultur – ein kurzer Wandel ist nicht nachhaltig. Die Verabschiedung von alten Denkmustern ist nicht selbstverständlich und bedeutet einen radikalen Einschnitt in der Unternehmenskultur: weg von standardisierten Geschäften angebotsorientierter Formate, hin zur Dienstleistung und Partner:in und Problemlöser:in der Kunden.

Weshalb müssen auch Führungsmodelle und Führungsverständnis an die digitale Transformation angepasst werden?

Neue Technologien, neue Formen der Zusammenarbeit und stetig steigende Anforderungen an unternehmerische Nachhaltigkeit erfordern neue und vor allem vernetzte Fähigkeiten bei Mitarbeitenden und Führungskräften. Altes Wissen und gewohnte Denkstrukturen können sich bei aktuellen Problemen und Nachhaltigkeitsanforderungen als falsch bzw. hinderlich erweisen und neue Lösungen blockieren. Bislang konzentrieren sich Unternehmen häufig auf technologische Aspekte des digitalen Wandels und bringen diese eher untergeordnet mit Nachhaltigkeitsindikatoren zusammen. Wichtig ist deshalb aufzuzeigen, wie sie Digitalisierung und Nachhaltigkeit – im Sinne einer Corporate Digital Responsibility / CDR – als integrale Bestandteile ihrer Unternehmensstrategie kohärent nutzen können.

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