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Gehaltspfändung und Gehaltsabtretung: Aufgaben des Arbeitgebers

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Es ist eine Privatangelegenheit, die doch zur Sache der Arbeitgebenden werden kann: Wenn Beschäftigte sich verschulden, können Gläubiger unter bestimmten Umständen einen Teil des Gehalts beanspruchen. Für Organisationen und deren Entgeltabteilungen ist dann entscheidend, die Gehaltspfändung bzw. Gehaltsabtretung fachgerecht abwickeln zu können. Denn wer die Pflichten und Regeln nicht kennt, macht sich möglicherweise als Drittschuldner:in haftbar.

Die Unterschiede zwischen Gehaltspfändung und Gehaltsabtretung

Inflation und Energiekrise belasten die Finanzen vieler Haushalte in Deutschland. Die Verschuldung steigt, für die Jahre 2022 und 2023 rechnet die Wirtschaftsauskunftei CRIF mit einem Anstieg der Privatinsolvenzen. Immer häufiger haben Beschäftigte in Lohnabteilungen deshalb mit Gehaltsabtretungen und Gehaltspfändungen zu tun. Was ist der Unterschied – und was bedeutet das für Unternehmen?

Der Termin entscheidet: die Lohnabtretung

Frau Beispiel leiht sich eine größere Summe bei einer Bank. Dafür unterschreibt sie dort eine Lohnabtretung. Sie überträgt ihren Anspruch auf ihr Gehalt damit vertraglich an die Bank. Aus Sicht des Darlehensgebers ist die Lohnabtretung also im Grunde eine Sicherheit: Kommt Frau Beispiel mit ihren Rückzahlungen in Verzug, kann die Bank den pfändbaren Teil des Einkommens beim Arbeitgebenden der Schuldnerin einfordern.
Der:die Arbeitgeber:in ist am Lohnabtretungsvertrag zwischen Frau Beispiel und ihrer Bank nicht beteiligt. Auch wenn Frau Beispiel das Unternehmen wechselt, kann der:die Gläubiger:in das abgetretene Gehalt beim neuen Arbeitgebenden einfordern.

Unsere Seminarempfehlung

Lohnpfändung und Gehaltsabtretung für Einsteiger:innen

Die Verschuldung privater Haushalte und damit vieler Arbeitnehmerinnen führt zu einem Anstieg an Lohnpfändungen. Den Arbeitgebern entstehen für die Bearbeitung dieser Fälle erhöhte Kosten und erhebliche Haftungsrisiken, denn es sind eine Reihe zwingender Vorgaben des Gesetzgebers sowie der Rechtsprechung zu erfüllen, wie z. B. die neuen Vorgaben des BGH, Nachtzuschläge zum Teil als Erschwerniszuschläge zu behandeln. In diesem Seminar erhalten Sie systematisch das nötige Basiswissen für eine zügige und korrekte Pfändungsbearbeitung.


Seminar: Lohnpfändung und Gehaltsabtretung für Einsteiger:innen

Dennoch muss und darf das Unternehmen nicht unbedingt sofort zahlen, wenn die Bank von Frau Beispiel die Lohnabtretung vorlegt. Vorher ist u. a. zu prüfen:

  • Hat der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin die Gehaltsabtretung vertraglich ausgeschlossen? (Mehr dazu am Ende des Artikels).
  • Ist der Abtretungsvertrag der älteste, von dem der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin weiß? Liegen mehrere Abtretungen vor, hat nämlich der Vertrag Vorrang, dessen Datum am weitesten zurückliegt. Die Arbeitgebenden müssen dabei nur die offengelegten Abtretungsverträge berücksichtigen.

Vom Gericht verordnet: die Gehaltspfändung

Eine Gehaltsabtretung kann vertraglich ausgeschlossen sein – anders sieht es aus im Fall einer Gehaltspfändung. Die Lohnpfändung bzw. Gehaltspfändung ist eine Form der Zwangsvollstreckung. Erhält die Organisation vom Gericht einen Pfändungs- bzw. Überweisungsbeschluss, muss sie den pfändbaren Teil vom Gehalt abziehen und an den:die Gläubiger:in überweisen. Der Arbeitgebende wird dabei zum Drittschuldner.

Wo liegen rechtliche Herausforderungen?

Für Unternehmen bringen Gehaltspfändungen und Gehaltsabtretungen zusätzlichen Aufwand und Haftungsrisiken mit sich. Schließlich ist eine Reihe zwingender Regeln zu beachten. So müssen Gehaltsabteilungen beispielsweise prüfen, ob Abtretungen überhaupt wirksam sind. Fehler sind auch möglich, wenn mehrere Abtretungsverträge mit unterschiedlichem Datum vorliegen oder Abtretung und Pfändung zusammenkommen. Dann ist fundiertes und aktuelles Fachwissen gefragt.

Was darf nicht gepfändet werden?

Es ist die Aufgabe der Organisation, den pfändbaren Teil des Einkommens korrekt zu berechnen. Überweist sie dem:der Gläubiger:in zu wenig oder zieht sie dem:der Arbeitnehmer:in zu viel vom Lohn ab, riskiert sie Schadenersatzforderungen. Nicht pfändbar sind beispielsweise folgende Teile des Arbeitseinkommens:

  • Die Hälfte der Vergütung für Mehrarbeit wie Überstunden oder Zuschläge
  • Zusätzliches Urlaubsgeld
  • Aufwandsentschädigungen
  • Gefahrenzulagen

Wie können sich Arbeitgebende vor einer Lohnabtretung schützen?

An einer Gehaltspfändung müssen Arbeitgebende mitwirken – dazu sind sie gesetzlich verpflichtet. Anders sieht es im Fall der Lohnabtretung aus: Wie oben bereits angesprochen, können Arbeitgebende diese vertraglich ausschließen. So minimieren sie den Arbeitsaufwand in den Lohnabteilungen und schützen sich vor rechtlichen Unsicherheiten.

Um die Abtretung des Gehalts an Dritte auszuschließen, genügt eine Klausel im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag. Wirksam ist zum Beispiel die Formulierung „Die Parteien vereinbaren, dass eine Abtretung der Lohn- oder Gehaltsforderungen des:der Arbeitnehmer:in an Dritte ausgeschlossen ist.“

Und nicht zuletzt: Stellen Arbeitgebende eine Veränderung im sozialen Verhalten eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin fest, kann dies ein Anzeichen für ein Schuldenproblem sein. Die Verbraucherzentrale führt z. B. Folgendes an: Der:die Arbeitnehmende meidet betriebliche Feiern, Betriebsausflüge und Geburtstagsrunden, verzögert Einzahlungen in die Kaffeekasse oder reagiert auf das Thema Geld ausweichend, gereizt oder widersprüchlich. Wenn es Arbeitgebenden gelingt, das Thema in einem vertraulichen Gespräch frühzeitig anzusprechen und professionelle Hilfe anzubieten, kann die Verschuldung möglicherweise aufgefangen werden – und das, bevor die Lohnabteilung mit einer Gehaltspfändung oder Gehaltsabtretung zu tun hat.

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Über den:die Autor:in

Dr. Emily Dang

Dr. Emily Dang ist Produktmanagerin für den Bereich Entgeltabrechnung und TVöD der Haufe Akademie.
Sie war zuvor bei einem namhaften Versicherungsunternehmen als Trainerin für den Außen- und Innendienst tätig und verfügt über umfangreiche Erfahrungen in der Konzeption und Umsetzung von Bildungsmaßnahmen.

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