Mit betrieblichem Gesundheitsmanagement die Krankenquote senken

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Es sind erschreckende Zahlen: Selbst kleine Unternehmen zahlen sechsstellige Personalkosten für kranke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Unternehmen mit 300 MA und 11,7 AU-Tagen pro MA/Jahr, 180,– EUR Arbeitgeber-Kostensatz pro MA-Tag, 135.000,– EUR Personalkosten für Krankheitstage).

Doch 36 % kleiner und mittelständischer Betriebe führen ein betriebliches Gesundheitsmanagement ein und nur etwa ein Drittel davon etabliert Gesundheitsmanagement als einen alle wesentlichen Aspekte umfassenden Prozess. Vielfach wird BGM reduziert auf Gesundheitstage, Obstkörbe und Kursangebote. Führungskräften werden singuläre Trainings zum achtsamen Führen oder Vorsorgecheckups angeboten, die ohne Einbindung nichts bewirken. Gerade im Mittelstand finden wir kaum systematische Managementprozesse. Gesundheitsmanagement: eine Personalentwicklungsmaßnahme?

Betriebliches Gesundheitsmanagement ist ein Stellhebel des Unternehmenserfolgs

Die oben aufgeführten Zahlen vermitteln einen ersten Eindruck von den Möglichkeiten, die erfolgreiches Gesundheitsmanagement unternehmerisch bietet. Dazu bedarf es jedoch der passenden Strategie – wie in allen anderen Bereichen auch. Nur ein systematischer Prozess, schafft über eine detaillierte Analyse Klarheit und ermöglicht zielführende und nachhaltig wirkende Maßnahmen.

Erfolgreiches und unternehmerisch angelegtes Gesundheitsmanagement setzt an, bevor es zur Reparatur-Instanz wird

Bedarfsermittlung ist für jede im Vertrieb arbeitende Person ein zentraler Erfolgsfaktor. Bei der Gesundheitsförderung scheint er noch nicht verankert, obwohl zentral. Dazu ein Fallbeispiel: Ein BGM-Team hatte Yoga- und Laufkurse organisiert, ein:e Ernährungsberater:in engagiert und Stressbewältigungskurse angeboten. Der Rücklauf war enttäuschend: „Es gehen sowieso nur die hin, die es nicht nötig haben.“ Nach Durchführung einer Gesundheitsbefragung führte der BGM-Steuerkreis eine Analyse durch.

Es wurden relevante Oberthemen, wie Erkrankungsrisiken, viele Langzeiterkrankte, Burnout- und Erschöpfungshäufigkeit, Führungsprobleme, Überlastung, ergonomische Probleme, niedrige Arbeitszufriedenheit und Anzeichen für innere Kündigung, Mobbing und Fluktuationsgefahr für jede Abteilung ausgezeichnet. Die Abteilungsberichte standen im Vergleich zum Gesamtunternehmen. Es wurde sichtbar, welche Einflussfaktoren in besonderem Maße auf den körperlichen, psychischen und motivationalen Gesundheitszustand wirkten. Bspw. Die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Diese Einflussvariable wirkt stark auf psychische und stressbedingte Belastungssymptome und Erschöpfungszustände. Im Team wurden Lösungen zur Kinderbetreuung, die Einrichtung eines Eltern-Kind-Büros usw. erarbeitet.

In der Gruppe der Führungskräfte fiel in der Analyse auf, dass hier besonders viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftraten. In dem Unternehmen galt die unausgesprochene Regel, dass gute Leistung mit langer Anwesenheit, oft bis in die späten Abendstunden, gleichzusetzen sei. Ein Kulturwandel war nötig, bei dem auch für die Führungskräfte die 10,5 Stunden-Regel verbindlich eingeführt wurde. Die Geschäftsführung ging mit gutem Beispiel voran. Speziell für die Führungskräfte wurde ein Lauftrainer engagiert, der (nach einer sportmedizinischen Untersuchung) eine erfolgreiche Laufgruppe aufbaute, zu der sich heute noch mehr als 2/3 der Führungskräfte regelmäßig treffen. So gelang es, eine zielgruppen- und problemgerechte Intervention einzuführen.

Welche Handlungsempfehlungen lassen sich aus dieser Erfahrung allgemein ableiten? Analyse und punktgenaue Intervention

Flächendeckende Kursangebote finden trotz vieler engagierter Bemühungen keinen Anklang und werden wieder aus dem Programm genommen. Dabei ist das Problem oft nicht das Angebot selbst, sondern seine Einbindung in das Gesamtkonzept des BGM. Maßnahmen zur Gesundheitsförderung sind der letzte Teil der Handlungskette. Davor steht die detaillierte Analyse und Bedarfsermittlung. Besonders wichtig ist hierbei die Lokalisierung von Problemen. Es ist wichtig zu wissen, in welcher Abteilung ein Problem besteht, um zielgruppengerechte Angebote machen zu können. Am Anfang einer nachhaltigen Gesundheitsförderung im Betrieb steht also das Aufsetzen systematischer Gesundheitsmanagement Prozesse. Im Kreis eines ganzheitlich zusammengesetzten BGM Steuerkreises sollte eine grundlegende Befragung im Unternehmen durchgeführt werden. Die sensiblen Aspekte der Anonymität beachtend sollte auf eine möglichst kleine Cluster-Größe geachtet werden, um die Zielgruppen mit ihren besonderen Belastungen und daraus resultierenden Beanspruchungen erkennen und gezielt beraten zu können.

Früherkennung ist der Schlüssel

Will man BGM betriebswirtschaftlich wirksam machen und die Krankenquote innerhalb eines annehmbaren Zeitraumes senken, ist Früherkennung und zeitnahes Handeln erfolgskritisch. Je früher eine geeignete Maßnahme einsetzt, desto schneller UND nachhaltiger ist ihre Wirkung. Neben betrieblichen Angeboten und trotz teilweise suboptimaler Rahmenbedingungen im deutschen Gesundheitswesen (gerade für Pflichtversicherte) sind die Betroffenen verantwortlich für ihre Gesundheit. Doch viele ignorieren ihre Symptome, solange es geht und gehen weiter zur Arbeit, trotz ernsthafter Erkrankungen. Die Folge sind langwierige Krankheitsverläufe, Chronifizierung, Berufsunfähigkeit oder Schwerbehinderung.

Es gilt Führungskräfte, Betriebsrat und Personalabteilung zu befähigen, in Fürsorgegesprächen mögliche betroffene Mitarbeiter:innen gezielt anzusprechen, ihnen Tipps zu geben und auf gesundheitsrelevante Angebote des Unternehmens hinzuweisen. Optimal ist ein BGM Steuerkreis mit ganzheitlichem Ansatz: eine psychologische Beratung von Mitarbeitenden sowie interne Fallberater, die zuständig sind für hierarchische Konflikte, Mobbingfälle, Suchterkrankungen oder Mitarbeiter:innen, die in Not geraten sind. Darüber hinaus gehört zum optimalen Angebot ein lokales Ärzte- und Therapeutennetzwerk, mit denen besondere Versorgungsverträge geschlossen werden.

Fazit:

Betriebliches Gesundheitsmanagement gehört aus der Ecke der Personalentwicklungsmaßnahmen heraus und hinein in den Fokus eines betriebswirtschaftlichen Managementprozesses. Wie in anderen strategischen Bereichen bedarf es einer professionellen Begleitung zu Beginn. Wichtigstes Instrument ist dabei eine differenzierte Gesundheitsbefragung. Zielgruppen- und bedarfsgerecht werden daraus Wege der Früherkennung, Vorsorge und Gesundheitsaufklärung abgeleitet und damit eine an die Mitarbeitenden orientierte Unternehmens- und Führungskultur etabliert, die für das Gelingen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements wesentlich sind. Dann werden auch die Verantwortlichen erkennen können: „Wir haben die Richtigen mit unseren gesundheitsfördernden Maßnahmen erreicht!“

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Autoren:

Emina Mazak

Emina Mazak_Foto_15X15_1webSenior Beraterin/Coach der Haufe Akademie. Schwerpunkte: Leadership, Gesundheit und Coaching. Themenbereiche: Präsentismus, Absentismus, Krankenquoten senken. Sie leitet das Wiesbadener Life Performer® Institut mit dem Fokus auf ein ganzheitliches Präventionsmanagement.


Thomas Artmann

HAA ArtmannsDiplom-Psychologe. Seit 2001 als Bera­ter, Trai­ner, Coach in Wirt­schafts- und Indus­trie­un­ter­neh­men tätig. Seine Arbeits­schwer­punkte sind moder­nes, betrieb­li­ches Gesundheits-manage­ment unter Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Aspekte, sowie die Ent­wick­lung von Füh­rungs­kräf­ten.

 

 

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Blog Team der Haufe Akademie.

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