Unternehmer:innen haben wirklich alle Möglichkeiten, rechtzeitig etwas zu tun, um sich dem digitalen Wandel zu stellen.
Es kann wahrhaft nicht behauptet werden, dass nicht genug geschrieben, diskutiert oder sonst etwas getan würde. Es gibt wirklich für jedes Thema die entsprechenden Expertinnen und Experten, die auf den entsprechenden Podien auftreten. Ad- Blocker, Social Media für das Kfz-Gewerbe (Think big!), SEO für Einzelhändler:innen, Shopsysteme für den Buchhandel. Keine Frage – das Internet ist bei den Unternehmen angekommen. Aber ist es mit einer neuen Homepage, einer Social Media-Kampagne und einem eigenem Shop schon getan? Welcher Mittelständler hat schon angefangen, sein Geschäft neu zu überdenken oder zu überlegen, wie Prozesse in Zukunft ablaufen könnten und was dazu überhaupt noch benötigt würde?
Wir befinden uns in einer Übergangsphase
Nur wenigen ist klar, dass wir erst am Anfang eines grundsätzlichen Wandels stehen. Die Digitalisierung aller Lebensbereiche in Wirtschaft und Gesellschaft wird alle Branchen und jedes Geschäft verändern.
Wenn irgendwann das Kerngeschäft schmilzt, hilft kein Typo3-Update mehr. Und wenn Amazon sich in ihrem Segment breit macht, hilft vermutlich auch kein neues Homepage-Design. Dagegen können auch Sie nicht „antwittern“. Die Prozesse ändern sich nicht an den Rändern, sondern im Kern. Internet ist kein Add-On, sondern muss überall drinstecken.
Tatsächlich beginnt gerade eine Übergangsphase auf dem Weg in die digitale Wirtschaft, welche erst einmal Verlierer produziert. Der digitale Wandel wird nicht bei der Musik- oder Verlagsbranche aufhören. Es werden auch ganz normale Unternehmen in den Fokus geraten: Logistiker, Baustoffhändler, Gärtner – einfach alle, irgendwann. Und niemand weiß, wie viel Zeit noch bleibt.
Auch in den Zeiten der industriellen Revolution war das keinesfalls anders. Die Fabriken senkten die Herstellungskosten dramatisch und produzierten Arbeitslosigkeit bzw. Abwanderung in die (prekäre) Lohnarbeit. Den Skaleneffekten konnte sich niemand entziehen. Sie wirkten auf die gesamte Volkswirtschaft. Heute sind es ähnliche Größenvorteile, die Unternehmen wie ebay, Amazon oder Google helfen, es den mittleren und kleineren Mitspielern jedoch schwer machen. Hochangesehene, traditionelle Verlagshäuser wie etwa Suhrkamp spielen nicht in der gleichen Liga wie Google und Facebook.
Wegducken hilft nicht
In einigen Branchen sind die Verwerfungen schon heute spürbar. Die Verlagswelt versucht sich zum Beispiel mit so etwas wie einem Leistungsschutzrecht zu schützen – es ist die schiere Verzweiflung, die versucht, den unabänderlichen Niedergang noch etwas aufzuhalten. Es sind Zäune, die da errichtet werden, Zäune gegen einen großen Sturm, den man ja dann doch nicht aufhalten kann.
Menschen lieben Zäune und Abgrenzungen. Es liegt in der Natur eines jeden, das Erreichte in irgendeiner Weise schützen zu wollen. Beispielsweise baut man am Nordseestrand einen Sandwall um den Strandkorb, denn das Meer zu sehen ist nicht so wichtig, wie der Schutz vor fremden Blicken.
Das Internet wird sich von der Verheißung zur Bedrohung wandeln
Aus meinen Gesprächen mit mittelständischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern, die durchaus erfolgreich in ihrem Geschäft sind, spüre ich eine zunehmende Unsicherheit und Ratlosigkeit im Umgang mit dem Internet. Man hat mittlerweile den dritten oder vierten Relaunch der Website hinter sich, Social Media hat man auch schon eingeführt (die Mitarbeiter:innen weigern sich allerdings noch zu bloggen oder zu twittern), man hat also scheinbar alles irgendwie gemacht. Aber es bleibt dieses mulmige Gefühl, dass alles schlechter wird – noch schwieriger und noch unbeherrschbarer. Meine Einschätzung ist: das Gefühl trügt nicht – es wird noch schlimmer. Das Internet wird sich von der Verheißung zur Bedrohung wandeln, wenn nicht ernsthaft gehandelt wird.
Und die nächste Welle, das Internet der Dinge, kommt gerade auf uns zu. Immer mehr Alltagsgegenstände und Alltagssituationen werden nach und nach mit dem Netz verbunden. Das Internet drängt damit auch in die reale Welt. Mit Bluetooth-Technologie werden wir über unsere Smartphones zukünftig in verschiedenen Situationen identifiziert, sodass man uns kontextbasierte Angebote unterbreiten kann.
Im Supermarkt wird uns eine App darauf hinweisen, welche Produkte nachgekauft werden sollten. Im Café und im Zug werden Sie Angebote an digitalen Zeitschriften, Weiterbildung und Entertainment nutzen können, sobald Sie sitzen.
Wenn Google einen Hersteller von vernetzten Thermostaten für einen Milliardenbetrag kauft, sollte auch der letzte Mittelständler begreifen, dass der digitale Wandel auf dem Weg ist, unser Leben ganzheitlich zu durchdringen.
Der Mittelstand hat viele Herausforderungen der digitalen Ökonomie verschleppt
Tatsache ist, dass der Mittelstand das Internet in der Vergangenheit unterschätzt hat und daher viele der sich ergebenden Chancen der digitalen Ökonomie bisher nicht genutzt wurden.
Man hat es sich viel zu oft bequem gemacht und das Thema Internet an Agenturen ausgelagert – ohne sich zu fragen, ob Outsourcing überhaupt der richtige Weg ist. Auch wenn diese Dienstleister alle möglichen Konzepte vorgelegt haben – an einer Digitalstrategie fehlt es den meisten mittelständischen Unternehmen bis heute.
Das begreift natürlich auch der digitale Nachwuchs. Dieser merkt nämlich, wie die Herausforderungen ausgesessen werden sollen und dass das Internet-Engagement meist homöopathisch ist.
Die Karrierepfade für digitale Pioniere sind oft einfach nicht da. Diese Leute bezahlen das Zögern des Managements mit eigenen Entwicklungsmöglichkeiten. Fragen Sie sich, warum jemand zu Ihnen und nicht zu Google & Co. gehen sollte.
Viele Absolventinnen und Absolventen haben dies verstanden und wollen deswegen selbst ein Unternehmen gründen oder in Startups arbeiten – Innovationskraft, die den bestehenden Mittelständlern heute im Hause fehlt. Es ist daher Zeit zu handeln!
Alternative Wege, die ich immer wieder empfehle:
- Verändern Sie die Unternehmenskultur (Change for Transformation).
- Führen Sie von unten.
- Machen Sie die digitalen Vorreiter von Assistenten zu echten Partnern im Hause – es müssen sich Karriereoptionen öffnen.
- Freunden Sie sich mit dem Gedanken von Spin-Offs an.
- Vertrauen Sie nicht nur Ihrer Internet-Agentur – deren Innovationskraft beschränkt sich auf die handwerkliche Umsetzung.
- Entwickeln Sie Ideen für eigene digitale Produkte und Dienstleistungen.
- Begreifen Sie den Wandel wirklich und denken Sie selbst digital!