Was ist eigentlich unter hybridem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) zu verstehen und wie setzt man hybride BGM-Kampagnen auf? Darüber sprechen wir mit Thomas Artmann, Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens mit Spezialisierung auf Betriebliches Gesundheitsmanagement und Trainer der Haufe Akademie.
Herr Artmann, was ist unter hybridem BGM zu verstehen?
Hybrides BGM ist die Kombination aus digitalen und analogen Gesundheitsmanagementmaßnahmen. In der Corona-Zeit boomte das digitale BGM und viele Unternehmen durften die Erfahrung machen, dass man auch auf digitalem Wege Mitarbeiter:innen erreicht. Ein wichtiger strategischer Ansatz dabei ist die Entwicklung einer guten Gesundheitskompetenz und eines erweiterten Gesundheitswissens der Mitarbeiter:innen. Damit wird die Absicht verfolgt, Personen zu selbstbestimmtem Handeln zu befähigen und ihnen zur Kontrolle über die eigene Gesundheit zu verhelfen. Das ist Gesundheitskompetenz. Aus den Gefährdungsbeurteilungen wissen wir, dass gerade die Selbstfürsorge, also das frühzeitige und präventive Handeln bei ersten Anzeichen gesundheitlicher Einschränkung nur selten gut funktioniert. Gerade leistungsstarke Mitarbeiter:innen kümmern sich meist zu wenig und zu spät um sich selbst. Hybrides BGM arbeitet (bzw. sollte arbeiten) in der Struktur von Gesundheitskampagnen, wobei ein bestimmtes Thema digital-analog aufbereitet und umgesetzt wird.
Was ist der Unterschied zum klassischen BGM bzw. zum rein digitalen BGM?
Auch im klassischen BGM verfolgen wir bereits seit 2015 den Ansatz der Gesundheitskompetenzentwicklung. Damals haben wir mit Gesundheitsbroschüren, gedruckten Newslettern, Artikeln, Vorträgen usw. gearbeitet, aber das erreichte nur eine bestimmte Zielgruppe und war gerade für größere Unternehmen logistisch nur schwer umsetzbar. Inhalte und Maßnahmen rein analog umzusetzen ist teuer und aufwendig. Der rein digitale Ansatz, bei dem sämtliche Inhalte und Maßnahmen, ausschließlich digital vermittelt werden, erreicht allerdings ebenfalls zu wenige Menschen, weil es für viele schwierig ist, digitale Inhalte ins „reale“ Leben zu überführen. Die Herausforderung im hybriden BGM ist, im digitalen Teil die Einsicht zu erzeugen, dass eine Verhaltensveränderung notwendig ist und im analogen BGM dann die Handlungsmotivation direkt umzusetzen und das erwünschte gesundheitsförderliche Verhalten auch in die Tat umzusetzen.
Was sind wichtige Faktoren bei der Einführung eines hybriden BGM?
Die Einführung braucht eine fundierte technische Basis, also eine solide Intranet-Plattform. Eine wichtige Voraussetzung ist eine App-Anbindung, damit die Inhalte z. B. auch auf den privaten Smartphones der Mitarbeiter:innen abrufbar sind. Das ist IT-technisch, aber auch rechtlich eine Hürde, weil hierfür Vereinbarungen mit dem Betriebsrat getroffen werden müssen und auch der Geheimnisschutz mitgedacht werden muss. Nicht alles, was im Intranet steht, darf auf private Endgeräte ausgespielt werden. Genau das ist aber die einzige Möglichkeit, um gewerbliche Mitarbeiter:innen (sog. Blue Collar Worker) zu erreichen. Diese haben fast alle ein privates Smartphone, aber in der Regel kein Dienstgerät. Eine App-Anbindung ist für produktionslastige Betriebe somit unabdingbar.
Gleichzeitig muss die Plattform technisch fundiert sein, etwa eine Streaming-Funktion für Audio und Videos, unterschiedliche Rechtegruppen, Abspielen von E-Learnings, das Offline-Setzen von Inhalten, damit man diese auch ohne Internet hören kann, einen Live-Stream für Veranstaltungen, die Verlinkung zu Webinar-Plattformen, die Anbindung HR-Selfservices (das erhöht die Nutzungsfrequenz), Seminaranmeldungen, digitale Terminvereinbarungen mit BGM-Lösungspartnern u.v.m.
Was bildet hier die größte Herausforderung?
Die Entwicklung von inhaltlichen Kampagnen ist eine Herausforderung, weil es diese noch nicht als fertige Produkte zu kaufen gibt. Es empfiehlt sich, Kampagnen in Zusammenarbeit mit Expert:innen zu entwickeln. Gerade die multimedialen Kampagnen sind etwas teurer, weil die Erstellung von Audiopodcasts oder Erklärvideos aufwendig sind. Aber: Die Reichweite ist besser und sie werden mehr gesehen oder gehört als Artikel gelesen werden.
In dem von mir entwickelten Schaubild ist eine klassische Gesundheitskampagne anhand von vier Schritten abgebildet. Dabei wird deutlich, wie vernetzt die digitalen und analogen Bestandteile einer Kampagne idealerweise sein sollten.
Was ist Ihr Tipp für Unternehmen, die noch ganz am Anfang stehen?
Unternehmen sollten sich für eine solide technische Grundlage entscheiden. Da gibt es einige Anbieter, die sämtliche Erfordernisse erfüllen und über umfangreiche Features verfügen. Die meist etwas höhere Anfangsinvestition zahlt sich in den Folgejahren aus. Der zweite Tipp ist, mit einfachen Kampagnen anzufangen, die inhaltlich aus dem „Mainstream-BGM“ stammen, also Ernährung, Sport, Entspannung oder Schlaf. Die zielgruppenspezifischen Kampagnen, wie Vitamin D-Mangel oder Kopfschmerzen und Migräne sollten erst später durchgeführt werden Der dritte Tipp ist die zielgruppengerechte Wahl von Sprache, Komplexität und Visualität. Die Lese- und Sehgewohnheiten der anzusprechenden Mitarbeiter:innen sollten beachtet werden. So kann man auch gut mit sog. „Reels“ bzw. „Shorts“ arbeiten, die bei Instagram und Youtube populär sind und weniger als eine Minute dauern.
Was empfehlen Sie, um Hybrides BGM zu kommunizieren und umzusetzen? Können Sie konkrete Hilfsmittel nennen?
Wie bereits erwähnt gibt es bereits sehr gute Plattformen für hybrides BGM. Alles andere ist „Fleißarbeit“ und braucht keine bestimmten Tools. Es ist jedoch hilfreich, ein gutes Grafikprogramm zu benutzen, wie Adobe Creative Cloud, mit Photoshop und Illustrator. Auf jeden Fall benötigt man ein Abo bei einer Bilddatenbank. Auch für die Postcasterstellung gibt es inzwischen gute Tools.
Herr Artmann, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!