So gehen Sie unterstützend mit Trauer am Arbeitsplatz um

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In Deutschland befindet sich jede:r zehnte Erwerbstätige in einem akuten Trauerprozess. Bei aktuell 45 Mio. Erwerbstätigen in Deutschland sind das ca. 4,5 Millionen Beschäftigte. Auch durch den immer höher werdenden Altersdurchschnitt der Arbeitnehmer:innen sowie die Erhöhung des Renteneintrittsalters gewinnt das Thema „Trauer am Arbeitsplatz” immer mehr an Bedeutung. Jede Trauer birgt enorme Risiken: sei es durch lange oder sich wiederholende Fehlzeiten oder durch Konzentrationsschwierigkeiten bis hin zur (inneren) Kündigung. Um hier gegenzusteuern, können Unternehmen einiges tun!

Trauer hat viele Gesichter

Durch die Tatsache, dass die Gesellschaft immer älter wird, ist die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger für viele Mitarbeiter:innen längst zu einem aktuellen Thema geworden. In einer solchen Lebensphase sind Mitarbeiter:innen oft nicht mehr wie gewohnt oder nur eingeschränkt in der Lage, ihre Arbeit konstant, sicher und zuverlässig zu erledigen. Da ist es hilfreich, wenn der Betrieb diese Phase unterstützend begleitet. Nicht nur durch flexible Arbeitszeiten, sondern auch durch Mitgefühl und Rahmenbedingungen, die Mitarbeiter:innen stärken, Möglichkeiten eröffnen und Sicherheit vermitteln.

Auch Trennungen, die Änderung von Lebensumständen oder die Sorge um Familienangehörige in Krisenzeiten können Mitarbeiter:innen in ihrer Leistungsfähigkeit hemmen und tragen zu einer zeitweisen, verminderten Arbeitsfähigkeit bei.

Noch schwieriger wird es, wenn Trauer durch Tod Einzug hält. Sei es, weil eine nahe Bezugsperson verstorben ist oder eine Kollegin oder ein Kollege aus dem Arbeitsumfeld “plötzlich” nicht mehr da ist. In solchen Situationen sind Führungskräfte und Kolleg:innen zumeist verunsichert bis hilflos und wissen nicht, wie sie mit den betroffenen Personen umgehen sollen. Außerdem ist Sterben, Trauer und Tod doch eine private Angelegenheit. Oder?

Verlust- und Trauererleben gehören zum Arbeitsalltag dazu

Nein! Trauer am Arbeitsplatz ist etwas ganz Normales: Im Laufe unseres Arbeitslebens werden wir mindestens einmal mit dem Tod eines uns nahestehenden Menschen konfrontiert oder Trauer hält auf andere Art Einzug in unseren Arbeitsalltag. Doch müssen wir aus wirtschaftlichen Gründen schnell wieder zurück zur Arbeit, denn das Gesetz sieht für akut trauernde Arbeitnehmer:innen lediglich zwei Tage Sonderurlaub vor. Eine betriebliche Vereinbarung zum Umgang mit einer solchen Situation ist nicht immer vorhanden. Somit bleibt vieles unausgesprochen und offen.
Wie also können Unternehmen trauernde Mitarbeitende unterstützen, um langfristig deren Leistungsfähigkeit zu erhalten?

Trauer ist (noch) keine psychische Krankheit!

Trauer ist keine Krankheit, sondern ein normaler Prozess, den Trauernde durchlaufen. Er hilft, das Leben neu zu sortieren. Seitens der Unternehmen braucht es daher Wissen, Zeit und Unterstützung, damit aus Trauer keine psychische Erkrankung erwächst.

Denn laut dem DAK-Gesundheitsreport 2022 zum Thema “Risiko Psyche – wie Depressionen, Ängste und Stress das Herz belasten“ entstehen rund 15 Mrd. € Produktivitätsverlust im Jahr durch Trauer und psychische Erkrankungen – mit steigender Tendenz.

Zudem lagen „psychische Erkrankungen … mit einem Anteil von rund 19,0 Prozent hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Krankenstand an zweiter Stelle. Im Vergleich zum Vorjahr gab es hier erneut einen Zuwachs bei der Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage (von 264,6 auf 275,9 Tage pro 100 Versichertenjahre). Die Fallhäufigkeit stieg im Vergleich zum Vorjahr auf 7,0 Fälle an (6,8 Fälle pro 100 Versichertenjahre in 2020).“

Es ist also an der Zeit, umzudenken und präventiv tätig zu werden.

Vorbereitet sein: der Schlüssel zum Erfolg

Das Allerwichtigste, was zu tun ist, ist im Rahmen des „Betrieblichen Gesundheitsmanagements“ (BGM) vorbereitet zu sein. Es ist elementar, dass Unternehmen das notwendige Wissen zu psychischer Gesundheit, zu Auswirkungen und Verläufen von Verlusten und Trauer besitzen, um für emotionale Notfälle gewappnet zu sein.

Dabei gibt es nur einen einzigen Fehler, den wir in einer akuten Situation begehen können: nichts zu tun oder nichts zu sagen!

Durch Kommunikation und Gesprächsstrategien können wir die Bedürfnisse der Mitarbeitenden abfragen, um individuell auf diese einzugehen. Denn alle Veränderungen bringen unterschiedliche Bedürfnisse und Gefühle mit sich, die es aufzufangen gilt, um bestmöglich agieren zu können. Es ist wichtig, der Situation Raum und Zeit zu geben und auf die aufkommenden Fragestellungen aktiv einzugehen.

Dazu kann ein Fahrplan wichtig sein, der die Rahmenbedingungen im Unternehmen abbildet. Auch interne Krisenteams zu bilden kann sehr hilfreich sein: Da braucht es einerseits Mitarbeitende, die sich um organisatorische Themen kümmern. Sie übernehmen beispielsweise die Kommunikation nach innen und außen. Zudem decken sie innerbetriebliche Notwendigkeiten ab, wie z.B. inhaltliche Abstimmungen und Schritte, welche die Arbeitsfähigkeit und Produktivität des Unternehmens sicherstellen. Andererseits braucht es Mitarbeitende, die betroffenen Menschen einen geschützten Raum bieten. Sie ermöglichen trauernden Mitarbeitenden, mit ihren individuellen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden, gewähren ihnen Unterstützung und stellen ihnen, wenn nötig und gewünscht, professionelle Hilfe zur Seite.

Trauermanagement ist Veränderungsmanagement ist Chefsache

Trauer ist individuell und Trauer führt zu Veränderung. Das Managen von Veränderungsprozessen kennen Unternehmen bereits aus fachlichen Fragestellungen. Trauermanagement ist vielen Unternehmen hingegen noch fremd. Doch mit einem proaktiven Umgang, mit Wissen und Empathie lassen sich Verlustsituationen in den Arbeitsalltag integrieren. Dies führt dazu, dass die Arbeitsfähigkeit erhalten bleiben kann. Wenn Mitarbeitende sich in ihrer Not gesehen und ernstgenommen fühlen, entsteht ein hohes Maß an Mitarbeiterzufriedenheit und Unternehmensbindung.

Dabei kommt Führungskräften eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung von Mitarbeitenden zu. Es ist daher wichtig, dass Führungskräfte und Personaler:innen sowie Mitarbeitende aus dem BGM oder dem Betriebsrat mit den wichtigsten Informationen und Hilfestellungen vertraut sind. Nur so können sie wissen, welche Unterstützungsmöglichkeiten intern wie auch extern den Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt werden können.

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Über den:die Autor:in

Kerstin Leyendecker

Trainerin der Haufe Akademie. Kommunikations- und Betriebspsychologin (Msc.), systemische Coachin, Wirtschaftsmediatorin und Begleitung in professionalisierter Trauer- und Verlustbewältigung, Entspannungspädagogin mit dem Schwerpunkt Krisenmanagement und Mental Health am Arbeitsplatz.  Langjährige Erfahrung als Führungskraft im HR-Management. Autorin.​

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