Was wir aus dem Leistungssport fürs Business lernen können

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Rainer Kiefer ist Sportwissenschaftler und sportpsychologischer Experte und seit vielen Jahren im Breiten- und Leistungssport aktiv. Bei der Haufe Akademie leitet er u. a. den Praxisworkshop „Business meets Biathlon“, in dem er seine Erfahrungen mit zahlreichen Nationalmannschaften, Olympia- und Paralympiasportler:innen mit theoretischen Inhalten für den lebendigen Transfer in den Business-Alltag der Teilnehmer:innen verknüpft. Wir sprechen mit ihm über den konstruktiven Umgang mit Drucksituationen im Sport und im Business.

Herr Kiefer, welche Techniken vermitteln Sie Leistungssportler:innen, damit diese in der Lage sind, Drucksituationen im Wettkampf auszublenden, um genauso gut zu sein wie im Training?

Das wichtigste Werkzeug in der ganzen Palette der Sportpsychologie ist nicht das übliche „Ausblenden“. Das funktioniert nicht, das wissen wir selbst von dem bekannten Beispiel: „Denk‘ nicht an den rosa Elefanten!“. Stattdessen ist das bewusste Einblenden die gängige Methode. Da wiederum gibt es diverse Möglichkeiten, was Leistungssportler:innen im richtigen Moment einblenden sollten: Ein Beispiel ist die optimale technische Ausführung oder ein klarer Start- und Endpunkt der Bewegungsvorstellung. Ein weiteres Beispiel ist die motivationale Ansteuerung, also dass sie vor dem Wettkampf nicht an die nächsten drei Wettkämpfe denken, sondern nur von der Start- bis zur Ziellinie. So wird die Aufmerksamkeit gebündelt, um nicht nur das Richtige einzublenden, sondern auch, um über die optimalen Ressourcen zu verfügen.

Welche Strategien aus dem Leistungssport gibt es, die man auch in Drucksituationen im Business anwenden kann?

Auf der kognitiven Ebene ist es gut, wenn man weiß, dass man „nur“ versuchen sollte die Trainingsleistung umzusetzen und nicht die Trainingsleistung zu übertreffen. Denn in der Regel fällt die Wettkampfleistung in einer Drucksituation ohnehin schlechter aus als die Leistung im Training. Da sollte man nicht zu viel von sich selbst erwarten, sondern das, was man kann. Zudem ist es hilfreich, sich bewusst an erfolgreiche Situationen zu erinnern. Im Leistungssport ist es meist so, dass die Sportler:innen sich daran erinnern, dass es nur davor, also vor dem Start oder vor dem Anpfiff, schwierig war. Sobald es losging, wurde es leicht. Diese Vorstellung hilft. Zusätzlich helfen situativ viele Embodiment-Themen: sich aufrichten, lächeln, eine positive Haltung einnehmen, denn die äußere Haltung spiegelt sich nach innen.

Sie arbeiten in Ihren Workshops mit dem Begriff “Belastungswahrnehmung”. Können Sie diesen Begriff konkretisieren?

Es gibt einen Unterschied zwischen der Belastung und der Beanspruchung. Wenn ich z. B. 20 kg trage, ist das etwas anderes, als wenn ein Kind 20 kg trägt. Die Belastung ist die gleiche, nur die Beanspruchung ist eine andere. Was ich an Ressourcen habe, um das Gewicht zu tragen, ist auch bei mir tagtäglich unterschiedlich: Je nach Tagesform bin ich effizienter. Die Belastungswahrnehmung beschreibt die subjektive Wahrnehmung der Beanspruchung. Das lässt sich auch auf Aufgaben im Business übertragen: je nachdem, welche Ressourcen mir zur Verfügung stehen ist eine Aufgabe für mich leichter oder schwerer als für meine Kollegin oder meinen Kollegen.

Welche Strategien oder Methoden wenden Sie selbst an, um Belastung und Erholung in Ihrem Arbeitskontext zu steuern?

Ich nutze für mich gerne den Einfluss der Natur: einfach mal rausgehen und den Kontext wechseln. Allein die Wirkung der frischen Luft und der Umgebungsfarben, also grüne Natur und blauer Himmel: das sind alles entspannende Faktoren, die mich wieder kreativer machen. Auch die Augenmuskulatur freut sich, wenn sie nicht immer nur auf kurze Entfernungen fokussiert. Unser Auge möchte gerne auch mal hunderte Meter oder kilometerweit fokussieren. Diese Bewegung im Augenmuskel hat positive Auswirkungen auf die Hirnaktivität. Für mich ist das eine der wichtigsten Dinge: einen Arbeitsplatz zu wählen, bei dem ich nach draußen sehen und immer wieder Perspektiven wechseln kann. Außerdem achte ich auf meine Atmung: es ist ratsam, zur Entspannung durch die Nase zu atmen. Durch die Aufnahme von Stickstoffmonoxid in den Nasennebenhöhlen beruhigt sich der Stoffwechsel.

Was passiert in Ihren Workshops?

In den Workshops mache ich einen Cross-Context-Exchange. Der Transfer erfolgt nicht nur vom Sport allgemein aufs Business, sondern von einzelnen Sportarten in einzelne Business-Bereiche. Verschiedene Berufsbilder oder Abteilungen innerhalb eines Unternehmens haben ganz unterschiedliche Herausforderungen. Die Arbeit z. B. im Vertrieb und in der Buchhaltung unterscheiden sich hinsichtlich Drucksituationen und Stressbelastungen deutlich. So entsteht je nach Hintergrund der Teilnehmenden ein anderer Workshop, da nicht jede Sportart auf jeden Kontext passt.

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Über den:die Autor:in

Rainer Kiefer

Sportwissenschaftler und sportpsychologischer Experte, Trainer der Haufe Akademie.

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