Seit dem 01. Dezember 2020 ist die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) in Kraft. Der Gesetzestext ist übersichtlich, dennoch stellt die Reform einen Paradigmenwechsel dar. Eigentü-mer:innen und Immobilienverwalterinnen und -verwalter sind seither gefordert, die geänderten oder neu eingeführten Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes zu berücksichtigen, die Arbeitsabläufe und Prozesse daran auszurichten.
Das Wichtigste in Kürze:
- Erweiterte Vertretungsbefugnis: Verwalter:innen sind nun im Außenverhältnis nahezu unbeschränkt vertretungsberechtigt. Ausnahmen bilden der Abschluss von Grundstückskauf- oder Darlehensverträgen, die eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft bedürfen.
- Einführung des zertifizierten Verwalters: Bis zum 1. Dezember 2023 müssen Verwalter:innen eine Zertifizierung vorweisen, um den Anforderungen ordnungsmäßiger Verwaltung zu entsprechen. Ausnahmen gelten für Kleingemeinschaften mit bis zu acht Sondereigentumseinheiten, sofern weniger als ein Drittel der Eigentümer:innen die Bestellung eines zertifizierten Verwalters verlangt.
- Anpassung der Eigentümerversammlungen: Die Einberufungsfrist beträgt nun drei Wochen, und die Einladung erfolgt in Textform. Zudem können Online-Teilnahmen an Präsenzversammlungen per Beschluss ermöglicht werden. Ein Quorum für die Beschlussfähigkeit ist nicht mehr erforderlich; jede Versammlung ist unabhängig von der Teilnehmendenzahl beschlussfähig.
- Neuregelung des Sondereigentums: Sondereigentum kann jetzt auch an Freiflächen begründet werden. Beschlüsse, die auf einer vereinbarten Öffnungsklausel basieren, müssen ins Grundbuch eingetragen werden.
- Überprüfung bestehender Vereinbarungen: Verwalter:innen sollten Altbeschlüsse und Vereinbarungen in Teilungserklärungen und Gemeinschaftsordnungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem neuen WEG prüfen und gegebenenfalls anpassen.
Was ist neu, was hat die WEG-Verwaltung zu berücksichtigen? – Das Wichtigste im Überblick.
1. Verwalter
Im Außenverhältnis ist der:die Verwalter:in nahezu unbeschränkt vertretungsberechtigt (§ 9 Abs. 1 S. 1 WEG)¹, er/sie vertritt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer:innen gerichtlich und außegerichtlich. Ausnahme: Beim Abschluss eines Grundstückskauf- oder Darlehensvertrags ist ein Beschluss der Wohnungseigentümer:innen erforderlich.
Im Innenverhältnis darf er die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung treffen, die von untergeordneter Bedeutung sind und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung von Nachteilen erforderlich sind (§ 27 Abs. 1 WEG). Die Wohnungseigentümer:innen können die Rechte und Pflichten des Verwaltenden erweitern oder be-schränken (§ 27 Abs. 2 WEG).
Der:die Verwalter:in kann jederzeit abberufen werden, der Verwaltervertrag endet spätestens sechs Monate nach der Abberufung § 26 Abs. 3 WEG).
Neu ist die Einführung eines:r zertifizierten Verwalter:in (§ 26a WEG). Nach Ablauf einer Übergangsfrist (01.12.2023) entspricht nur noch die Bestellung eines:r zertifizierten Verwalter:in ord-nungsmäßiger Verwaltung. Als zertifiziert darf sich derjenige/diejenige Verwalter:in bezeichnen, der:die vor einer IHK eine Prüfung hierzu bestanden hat oder eine immobilienspezifische Qualifika-tion (wie bspw. Immobilienkaufmann (IHK), Immobilienfachwirt (IHK)) oder die Befähigung zum Richteramt vorweisen kann). Ausnahmen gibt es für Kleingemeinschaften mit bis zu acht Sondereigentumseinheiten, wenn ein:e Wohnungseigentümer:in zum:zur Verwalter:in bestellt wurde und weniger als ein Drittel der Wohnungseigentümer:innen die Bestellung eines:r zertifizierten Verwalter:in verlangt (§ 19 Abs. 2 Nr. 6 WEG).
2. Eigentümerversammlungen
Die Einberufungsfrist beträgt jetzt drei Wochen, die Einberufung erfolgt in Textform (§ 24 Abs. 4 WEG).
Die Präsenzversammlung bleibt bestehen (§23 Abs. 1 S. 1 WEG), zusätzlich kann die Eigentü-er:innengemeinschaft durch Beschluss die Online-Teilnahme an Präsenzveranstaltungen erlauben § 23 Abs. 1 S. 2 WEG) und dabei auch die konkreten Bedingungen festlegen (Auswahl der Technik, geschützter Zugang, usw.).
Es gibt kein Quorum mehr für die Beschlussfähigkeit (§ 25 WEG). Jede Versammlung ist automatisch beschlussfähig, unabhängig davon, wie viele Wohnungseigentümer:innen anwesend oder vertreten oder online zugeschaltet sind. Ein:e Eigentümer:in, der sich auf einer Eigentümer:innenversammlung vertreten lassen möchte, benötigt jetzt eine Vollmacht in Textform (§ 25 Abs. 3 WEG).
Bei der Beschlussfassung entscheidet immer die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 25 Abs. 1 WEG). Ein Umlaufbeschluss kann jetzt auch in Textform (z. B. per E-Mail) erfolgen. Für einen konkreten Beschlussgegenstand kann beschlossen werden, dass ein Umlaufbeschluss mit Mehrheit zustande kommt (§ 23 Abs. 3 S. 2 WEG).
3. Sondereigentum
Sondereigentum kann auch an Freiflächen begründet werden (§ 3 Abs. 2 WEG).
Beschlüsse, basierend auf einer vereinbarten Öffnungsklausel, müssen in das Grundbuch eingetra-gen werden (§ 5 Abs. 4 WEG). Ausdrücklich gefordert ist die Eintragungspflicht für Veräußerungsbeschränkungen und eine Haftung des Sondernachfolgers für Altschulden (§ 7 Abs. 3 S. 2 WEG). Zu prüfen gilt es hier (Übergangsfrist bis 31.12.2025), ob und welche Altbeschlüsse / Altvereinbarungen betroffen sind.
Neben dem Aufteilungsplan für das Gebäude ist jetzt auch ein Aufteilungsplan für das Grundstück erforderlich (§ 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 WEG).
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer:innen entsteht mit der Anlegung der Wohnungs-grundbücher (§ 9a Abs. 1 S. 2 WEG).
4. Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer:innen ist vollständig rechtsfähig, diese kann Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden (§ 9a Abs. 1 WEG).
Da die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 18 Abs. 1 WEG) und des Gemeinschaftsvermögens (§ 9a Abs. 3 WEG) der Wohnungseigentümer:innengemeinschaft obliegt, führt dies zu einer Veränderung der Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft, den Eigentümer:innen und dem:r Verwalter:in.
5. Pflichten Dritter
Zur Durchsetzung von Baumaßnahmen gegenüber Fremdnutzern von Wohnungseigentum, wurde ein Duldungsanspruch gegenüber Mieter:innen und sonstigen Nutzer:innen aufgenommen (§ 15 WEG).
6. Bauliche Maßnahmen
Bauliche Veränderungen können durch Mehrheitsbeschluss gestattet werden (§ 20 Abs. 1 WEG). Auf privilegierte Maßnahmen hat der:die Eigentümer:in einen Anspruch (§ 20 Abs. 2 WEG). Hierzu gehören u. a. bauliche Veränderungen , die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen und die zur Herstellung von Barrierefreiheit führen. Der:die Bauwillige hat die Kosten einschließlich der Folgekosten zu tragen und nur er/sie darf die Nutzungen ziehen (§ 21 WEG).
Werden Baumaßnahmen von der Gemeinschaft durchgeführt, besteht nur eine Zahlungspflicht aller Eigentümer, wenn sie sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes amortisieren (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 WEG) oder zwei Drittel der auf der Versammlung abgegebenen Stimmen und die Hälfte aller Miteigentumsanteile sich für die Baumaßnahme ausgesprochen haben (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 WEG). Ansonsten tragen nur die Zustimmenden die Kosten und dürfen die Nutzungen ziehen (§ 21 Abs. 3 WEG). Eine andersartige Kostenverteilung kann ebenso beschlossen werden.
7. Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht
Die Wohnungseigentümer:innen beschließen beim Wirtschaftsplan nur noch über die Vorschüsse (§ 28 Abs. 1 S. 1 WEG) und im Rahmen der Jahresabrechnung über die Nachschüsse bzw. die An-passung der beschlossenen Vorschüsse (§ 28 Abs. 2 S. 1 WEG). Neu ist die Verpflichtung, nach Ab-lauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht zu erstellen, der den Stand der Rücklagen und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthält. Der Vermögensbericht ist allen Wohnungseigentümer:innen zur Verfügung zu stellen, eine Beschlussfassung ist nicht gefor-dert (§ 28 Abs. 4 WEG).
8. Verwaltungsbeirat
Die Kompetenzen des Verwaltungsbeirates wurden erweitert, gegenüber dem:der Verwalter:in besteht zusätzlich eine Überwachungspflicht (§ 29 Abs. 2 WEG). Für unentgeltlich tätige Beiräte erfolgt eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 29 Abs. 3 WEG).
9. Verfahrensvorschriften
Allgemeiner Gerichtsstand der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer:innen ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt (§ 43 Abs. 1 S. 1 WEG).
Beschlussklagen sind nur noch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer:innen zu richten (§ 44 Abs. 2 WEG).
Fazit:
Obgleich das WEMoG Vereinfachungen mit sich bringt, bedeutet das für die WEG-Verwaltung, die vielen Änderungen zu kennen und diese in innerbetrieblichen Prozessen und Organisationsstrukturen anzupassen.
Grundsätzlich gehen die neuen Regelungen nach WEMoG den Altvereinbarungen vor; jedoch bleibt es einer Verwaltung nicht erspart, „Altvereinbarungen“ nach eindeutigem Willen zu prüfen, ob einzelne trotzdem wirken.
Weiterhin ist innerhalb der Übergangsfrist zu beachten, ob bei einzelnen Eigentümer:innengemeinschaften Handlungsbedarf bzgl. Eintragungspflicht ins Grundbuch für „Altvereinbarungen und Altbeschlüsse“ (oder evtl. alternativer Nachweis) besteht.
Im Eigeninteresse jeder Verwaltung sollte der geforderte Nachweis zur Zertifizierung rechtzeitig eingeplant werden, sodass sich hier Vorteile statt Nachteile in der weiteren Verwal-ter:innentätigkeit bzw. -bestellung ergeben.
¹= Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) vom 17.09.2020