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Mit Agilem Marketing Komplexität beherrschen

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Erfolgreiche Marketingkonzepte waren immer schon wie der römische Gott Janus, der mit seinen zwei Gesichtern für mich sehr gut den Zwiespalt und die Ambivalenz guter Marketingarbeit symbolisiert.

Strategische Marketingplanung und agiles Marketing – warum wir im Marketing beides brauchen

Auf der einen Seite zeichnen sich starke Marken durch einen langen Atem, feste Werte und so klare wie eindeutige Botschaften aus, die Marketingverantwortliche stur und bisweilen diktatorisch gegen modische Strömungen und kurzfristige Begehrlichkeiten anderer Abteilungen und manchmal auch gegenüber den eigenen Vorgesetzten verteidigen müssen. Andererseits bedarf das moderne Marketing auch einer hohen Dynamik und extremer Flexibilität, weil sich durch die digitale Marketingrevolution Märkte und Marketinginstrumente unfassbar schnell entwickeln. Dadurch müssen wir folgenreiche Entscheidungen immer kurzfristiger und oft auch auf Basis unzureichender Informationen treffen.

Klar ist uns wahrscheinlich allen, dass wir diese neuen Herausforderungen nicht mehr mit den Denkweisen des letzten Jahrtausends meistern können. Eine Antwort auf diesen Zwiespalt und auf die neue Komplexität der Marketingarbeit kann „agiles Marketing“ sein. Aber was verbirgt sich hinter diesem neuen Begriff und was macht agiles Marketing so revolutionär?

Game Changer oder kurzfristiger Hype? – Wie das digitale Zeitalter die Marketingarbeit nachhaltig verändert

Der Begriff „agil“ kommt aus dem Lateinischen und steht für reaktionsschnell, flink oder beweglich. Genau solche fachliche/persönliche Eigenschaften von Menschen und die dazu passenden Methoden und Prozesse in den Unternehmen fordert das digitale Zeitalter ein, um in den Märkten zukünftig noch bestehen zu können. An agilen Denk- und Arbeitsweisen führt deshalb kein Weg mehr vorbei, und agiles Marketing ist gekommen, um zu bleiben.

Warum viele Marketingmanager glauben, dass das klassische Marketingmodell nach wie vor zukunftsfähig ist

Dieser notwendige Paradigmenwechsel wird aber von vielen Marketingentscheidern nach wie vor abgelehnt. Eine solche Haltung ist auch nachvollziehbar, blieb doch das Marketing in Deutschland bisher von revolutionären Brüchen weitgehend verschont. Das moderne Marketing wurde in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt und hat sich mit deutlicher Verzögerung dann seit Anfang der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts auch bei uns etabliert. Zwar haben sich dann im Laufe der darauffolgenden 50 Jahre Rahmenbedingungen geändert wie zum Beispiel die Rollen von Industrie, Handel und Verbrauchern oder die Vielfalt von Medien Im Grunde blieb die Marketingarbeit aber von wirklich dramatischen Veränderungen unberührt. Deshalb konnte man mit einer guten Ausbildung und/oder einem im Laufe eines Berufslebens erworbenen Wissen seinen Marketingjob mehr oder weniger sicher meistern. Da fällt es einem natürlich schwer zu erkennen, dass sich die Zeiten gerade dramatisch ändern.

Agiles Marketing – der richtige Weg in eine immer weniger planbare Zukunft?

Wenn Sie mich zum Beispiel noch vor 10 Jahren gefragt hätten, ob ich in allen relevanten Marketingthemen „sattelfest“ bin und in der Lage wäre, hier fachlich sichere Entscheidungen zu treffen, hätte ich noch eindeutig mit „Ja“ geantwortet. Diese Zeit der Selbstgewissheit ist auch bei mir seit einigen Jahren vorbei, denn im Marketing hat einerseits die Zahl der Marketinginstrumente und andererseits auch die Geschwindigkeit der Veränderungen explosionsartig zugenommen. Oder können Sie heute abschätzen, welche Social-Media-Plattformen in den nächsten zwei Jahren für Ihr Unternehmen relevant werden? Sind Sie in der Lage zu beurteilen, welche Auswirkungen die neue Datenschutzstrategie des Chrome-Browsers auf Sie haben wird? Können Sie heute seriös vorhersagen, wie Ihr Mediaplan im Frühjahr des nächsten Jahres in Sachen Print vs. Digital aussehen wird? Und wie werden wohl in ein oder zwei Jahren Messen und Roadshows durchgeführt werden? Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, lautet die Antwort auf die Frage, ob wir all dies halbwegs sicher voraussehen können, heute schlicht „Nein“.

Daraus leitet sich die zwingende Notwendigkeit für agiles Marketing ab: flexibel, flink und beweglich im Denken, in der Führung von Mitarbeitern und Projekten und in der Steuerung von Budgets.

Agiles Marketing – fängt bei Ihnen selbst an

Denn das sollten wir persönlich hierfür mitbringen: zum einen eine hohe und vielseitige fachliche Qualifikation, zum anderen die Fähigkeit und gestalterische Kraft, das Marketing erfolgreich durch die immer vielfältigeren Projekte und die tückischen Untiefen der Unternehmensorganisation zu steuern. Manches können wir erlernen, vieles davon sind aber Grund- und Glaubenssätze, die uns unsere Gene und die frühkindliche Erziehung mitgegeben haben. Von den Prinzipien, die uns unsere Eltern vermittelt haben, sind Vertrauen, Mut und Überzeugungskraft die wichtigsten. Denn nur hieraus entsteht echter Teamgeist, der das Fundament für das Gelingen des agilen Wandels ist.

Agiles Marketing – welche Methoden und Strategien führen zum Ziel?

Wenn wir nun das Fundament gelegt haben, geht es darum, das agile Marketinghaus Stockwerk für Stockwerk zu errichten und dabei auch an die Gesetze der Statik zu denken. Was sind wohl die wichtigsten Gewerke und handwerklichen Methoden hierfür? Wir benötigen vernetzte und flexible Budgetierungsmethoden, ein für die Marketingarbeit praktikables Projektmanagement und eine Organisation, mit der man systematisch Innovationen findet. Außerdem muss man die Holokratie (das Denken in agilen Organisationen) mit den klassischen Hierarchien (die es in jedem Unternehmen ja völlig zu Recht gibt) versöhnen. Eine Herkulesaufgabe bleibt dann noch: Es gilt, die Widerstände (die man auch als die großen Vier bezeichnet) zu überwinden, um so die agile Marketingtransformation zur Erfolgsgeschichte zu machen.

Agiles Marketing – machen Sie den ersten Schritt aus der Tür, auch wenn dahinter Gefahren lauern

Übrigens: Der eingangs erwähnte Gott Janus steht nicht nur für den Zwiespalt und die Ambivalenz – er ist auch der Gott der Türen und Tore. Insofern öffnen wir doch die Tür und verlassen wir das Haus des bisher Gewohnten. Außerdem ist Janus auch noch der Gott des neuen Anfangs (weshalb auch der erste Monat des Jahres nach ihm benannt ist) – beginnen wir deshalb, uns auch mutig der Zeitenwende zu stellen und das Marketing der Zukunft sowohl mit dem nötigen strategischen Weitblick als auch mit der zwingend erforderlichen Agilität zu gestalten. Dieser Weg birgt natürlich auch Gefahren, aber Stillstand ist keine Alternative.

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Über den:die Autor:in

Fred Geiger

ist Dozent an verschiedenen Hochschulen und selbstständiger Berater und Trainer mit Schwerpunkt Marketing und Vertrieb. Er verfügt über langjährige Praxiserfahrung in leitenden Funktionen bei marktführenden Markenartikel- und Dienstleistungsunternehmen.

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