Stellenbewertungen und Eingruppierungen laut Tarifvertrag sind im öffentlichen Dienst eine komplexe Angelegenheit, zumal es stetig neue Tarifvorgaben gibt. Immer wieder kommt es zu Klagen von Beschäftigten. Es lohnt sich also, wenn Sie Bewertungsverfahren und aktuelle Rechtsprechung genau kennen – und dadurch Fehler vermeiden.
Das Prinzip klingt einfach: Im öffentlichen Dienst werden Beschäftige laut Tarifvertrag (TVöD) danach bezahlt, welche konkreten Tätigkeiten zu erbringen sind, wie hoch z. B. die Verantwortung ist und unter Umständen wie viel Berufserfahrung jemand mitbringt. Hieraus ergibt sich die Eingruppierung in die entsprechende Entgeltgruppe und die dazugehörige Stufenzuordnung innerhalb dieser Gruppe.
In der Praxis ergeben sich für Entscheider:innen jedoch jede Menge Fragestellungen und Besonderheiten, die Sie kennen müssen, um rechtssicher handeln zu können.
Generell gilt: Die in der Stellenbeschreibung aufgelisteten Arbeitsvorgänge bilden die Grundlage für die Stellenbewertung und damit für die Einordnung in die Entgeltgruppe. Aber was passiert, wenn der oder die Beschäftigte ganz unterschiedliche Tätigkeiten ausübt? Richtig eingruppiert ist ein:e Beschäftigte:r grundsätzlich dann, wenn er oder sie zeitlich mindestens die Hälfte der Arbeitszeit Aufgaben erledigt, die den Anforderungen eines oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe entsprechen. Wichtig: Nicht der Arbeitgeber entscheidet über die Eingruppierung, sondern diese ergibt sich aus dem Tarifvertrag in Verbindung mit der Entgeltordnung (sogenannte „Tarifautomatik“).
Die fünf häufigsten Fehlerquellen bei der Eingruppierung nach TVöD sind:
Falsche Stellenbewertung
Wenn Sie eine Tätigkeit bewerten und damit die richtige Entgeltgruppe finden müssen, ist es nicht entscheidend, wie gut oder schlecht der:die jeweilige Beschäftigte die Arbeit erledigt – es kommt einzig und allein darauf an, welche Aufgaben der Stelle zugrunde liegen. Auch Einarbeitungszeiten oder Probezeiten dürfen Sie im Regelfall nicht berücksichtigen.
Beispiele aus der Praxis:
Im Alltag ergeben sich bei der Eingruppierung viele Fallstricke, die immer wieder die Gerichte beschäftigen. So klagte 2021 eine Erzieherin einer Ganztagsschule: Sie wollte erreichen, dass sie statt nach der Entgeltgruppe S 8a TVöD nach der höheren Gruppe S 8b TVöD bezahlt wird, da sie der Auffassung war, besonders schwierige fachliche Tätigkeiten auszuüben. Das Bundesarbeitsgericht lehnte ab: Das Merkmal sei nur anzuwenden, wenn die Erzieherin ausschließlich Menschen mit Behinderung oder Kinder und Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten betreue, urteilten die Richter:innen. In einem anderen Beispiel ging es 2020 darum, ab wann eine Station in einem Krankenhaus als „groß“ einzustufen ist – auch dies ist ein Kriterium bei der Einstufung in die Entgeltgruppe.
Korrigierende Rückgruppierung
Die richtige Stellenbewertung ist auch deshalb wichtig, damit Sie korrigierende Rückgruppierungen zulasten des Arbeitgebers vermeiden.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Beschäftigter wurde im Jahr 2012 eingestellt, der Arbeitgeber war damals der Ansicht, dass die Tätigkeiten der Entgeltgruppe 8 entsprechen. 2020 wurden sämtliche Eingruppierungen überprüft. Dabei stellte sich heraus, dass die frühere Bewertung falsch war. Die Tätigkeit des Mannes entsprach nicht der Entgeltgruppe 8, sondern nur der Gruppe 6. Der Arbeitgeber konnte deshalb – unter Beteiligung des Betriebs-/Personalrats – den Beschäftigten rückgruppieren.
Einen Rechtsanspruch auf die höhere Entgeltgruppe hat der Beschäftigte nicht, auch wenn diese im Arbeitsvertrag entsprechend angegeben ist. Umgekehrt gilt für den Arbeitgeber die Ausschlussfrist: Er kann das zu viel gezahlte Entgelt, das sich durch die jahrelange höhere Einstufung ergeben hat, nur für wenige Monate zurückfordern.
Höhergruppierung durch höherwertige Tätigkeit
In der Praxis können Sie jedoch auch mit Fällen konfrontiert sein, wo es gerechtfertigt ist, den:die Beschäftigte:n trotz keiner Neuübertragung einer Tätigkeit in eine höhere Entgeltgruppe einzugruppieren. Aber Achtung: Dieses so genannte „Hineinwachsen in eine höherwertige Tätigkeit“ ist nur dann möglich, wenn der:die Beschäftigte seine:ihre ursprünglichen Aufgaben weiter ausübt, sich jedoch aufgrund äußerer Gegebenheiten die Merkmale einer höheren Entgeltstufe ergeben – es geht nicht darum, dass der Arbeitgeber dem:der Beschäftigten eine andere Tätigkeit überträgt. Die Stellenbeschreibung des:der Beschäftigten bleibt bei einem „Hineinwachsen in eine höherwertige Tätigkeit“ gleich.
Beispiel aus der Praxis:
Eine Beschäftigte einer Finanzverwaltung ist für die Aufstellung des Haushaltsplans ihrer Gemeinde zuständig. Aufgrund der Umstellung von der kameralistischen zur doppischen Haushaltsführung ergeben sich deutlich höherwertigere Arbeitsinhalte, sodass nunmehr die Voraussetzungen für eine höhere Entgeltgruppe erfüllt sind.
Berufserfahrung falsch ausgelegt
Die wohl häufigsten Streitfragen ergeben sich im TVöD beim Thema Berufserfahrung. Immer wieder gibt es Differenzen darüber, was unter einer „einschlägigen Berufserfahrung“ laut Tarifvertrag zu verstehen ist oder inwiefern Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber anerkannt werden. Es gibt zahlreiche Gerichtsurteile.
Generell sieht der TVöD innerhalb der insgesamt 15 Entgeltgruppen verschiedene Stufen vor, die die finanziellen Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb einer Gruppe abbilden. Mit Ausnahme der Entgeltgruppe 1 (Gruppe mit den niedrigsten Qualifikationsansprüchen) gibt es innerhalb der Gruppen jeweils sechs Stufen. Beschäftigte verbleiben ein Jahr in Stufe 1, zwei Jahre in Stufe 2, drei Jahre in Stufe 3 und so weiter.
Worauf müssen Sie bei der Beurteilung der Berufserfahrung und damit bei der Stufenzuordnung achten?
Unerheblich ist, ob der Beschäftigte die Berufserfahrung in einem Angestelltenverhältnis, im Rahmen eines Dienstverhältnisses oder durch eine selbstständige Tätigkeit erworben hat. Genauso wenig ist relevant, ob es sich um eine Tätigkeit in Voll- oder in Teilzeit handelte.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich bei der Einschlägigkeit der Berufserfahrung für eine enge Auslegung ausgesprochen. So genügt es nicht, wenn Beschäftigte zuvor lediglich eine „ähnliche“ Tätigkeit ausgeführt haben. Stattdessen muss es sich um eine „im Wesentlichen identische“ Tätigkeit gehandelt haben. Auch wenn eine Tätigkeit einem erlernten Beruf oder Studium entspricht, reicht dies als Nachweis für eine einschlägige Berufserfahrung nicht aus – wichtig für die Beurteilung ist die tatsächliche Tätigkeit.
Berücksichtigung von Restzeiten
Eine weitere Fehlerquelle bei der Stufenzuordnung lauert für Sie bei den so genannten Restzeiten. Dabei handelt es sich um Zeiten innerhalb einer Stufe, die bei der reinen Stufenzuordnung verloren gingen.
Beispiel aus der Praxis:
Haben Beschäftigte eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis, erfolgt eine Eingruppierung in Stufe 2. Aber auch, wenn die einschlägige Berufserfahrung weniger als ein Jahr beträgt, muss laut aktueller Rechtsprechung die zum Einstellungszeitpunkt vorhandene Restzeit einer einschlägigen Berufserfahrung auf die Stufenlaufzeit angerechnet werden.
Fazit: Immer auf dem Laufenden bleiben
Das Tarifrecht im öffentlichen Dienst unterliegt durch Rechtsänderungen einem stetigen Wandel. Im Alltag ergeben sich teils komplizierte Einzelfallentscheidungen und rechtlich relevante Sachverhalte.
Umso wichtiger ist es, durch kontinuierliche Weiterbildung stets top informiert zu sein und auf dem aktuellen Stand zu bleiben.
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