Wissenschaftszeitvertragsgesetz: Überblick über die geplanten Änderungen

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Was ist mit Hanna? Im Herbst 2020 entstand der Twitter-Trend #IchbinHanna als Reaktion auf das Sonderbefristungsrecht des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG). Dies ist seit 2007 ein zentrales Element der akademischen Arbeitswelt in Deutschland. Besonders junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind davon betroffen und erleben durch befristete Verträge oft eine Achterbahnfahrt zwischen Hoffnung und Unsicherheit. Nun plant das Bundeskabinett eine Reform, die frischen Wind in die bisherigen Regelungen bringen soll. Doch was genau ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz? Welche Änderungen daran sind geplant? Und was bedeutet das für die Zukunft junger Forschender?

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz einfach erklärt

Unbefristete Jobs sind in der akademischen Welt, während der Promotion und der anschließenden Postdoc-Phase selten. Junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen arbeiten oft in befristeten Positionen, die in der Regel durch Grund- oder Drittmittel finanziert werden. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) regelt befristete Arbeitsverträge für wissenschaftliches und künstlerisches Personal an staatlichen und anerkannten Hochschulen sowie Forschungseinrichtungen. Es erlaubt Befristungen, die im normalen Arbeitsrecht unüblich sind.

Hinweis:

Im normalen Arbeitsrecht kann eine sachgrundlose Befristung maximal dreimal verlängert werden. Die Gesamtdauer von zwei Jahren darf dabei nicht überschritten werden.

Das Gesetz wird als notwendige Voraussetzung für Innovationspotenzial in der Forschung angesehen. Erhöhter Personalwechsel soll Innovationskraft stärken, Systemverstopfungen und Dauerbeschäftigungen vermeiden. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs bedeutet dies jedoch oft Unsicherheit und prekäre Einkommensverhältnisse. Sie arbeiten häufig in Teilzeit und haben keine Planungssicherheit.

Geplante Änderungen am Wissenschaftszeitvertragsgesetz

Die geplanten Änderungen geben daher Grund zur Hoffnung: Um die Lage junger Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu verbessern, plant das Bundeskabinett eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Die wichtigsten Änderungen sind:

  • Mindestvertragslaufzeiten: Drei Jahre für Erstverträge vor der Promotion, zwei Jahre nach der Promotion und ein Jahr für studienbegleitende Jobs. Kürzere Laufzeiten sind nur in Ausnahmefällen möglich.
  • 4+2-Modell nach der Promotion: Die maximale Befristungsdauer nach der Promotion wird von sechs auf vier Jahre verkürzt. Eine Verlängerung um bis zu zwei Jahre ist nur möglich, wenn im Vorfeld verbindlich festgelegt wird, dass beim Erreichen bestimmter Ziele, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis auf die Befristung folgt.
  • Vorrang der Qualifizierungsbefristung: Drittmittelbefristungen sind erst nach Ausschöpfen der maximalen Dauer von Qualifizierungsbefristungen erlaubt. Das soll sicherstellen, dass Forschende auch in drittmittelfinanzierten Projekten von Mindestvertragslaufzeiten und familienfreundlichen Regelungen profitieren.
  • Mehr Einfluss für Tarifpartner: Tarifpartner bekommen mehr Mitspracherecht bei den Befristungsregelungen.

Unterschied zwischen Drittmittelbefristung und Qualifizierungsbefristung

Drittmittelbefristung: Diese Befristung ist an die Dauer eines extern finanzierten Projekts gebunden. Der Arbeitsvertrag läuft so lange, wie die Drittmittel bewilligt sind. Forschende sollen für die gesamte Dauer der Mittelbewilligung beschäftigt bleiben.

Qualifizierungsbefristung: Diese Befristung richtet sich nach der Dauer der angestrebten wissenschaftlichen Qualifizierung, wie zum Beispiel einer Promotion. Die Vertragsdauer muss so bemessen sein, dass sie die angestrebte Qualifizierung ermöglicht.

Ziele der Änderungen am Wissenschaftszeitvertragsgesetz

Mit der Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes sollen die frühen Karrierephasen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stabiler und planbarer werden. Angemessene Vertragslaufzeiten zielen darauf ab, dass wissenschaftliche Qualifizierungen wie die Promotion in der vorgesehenen Zeit abgeschlossen werden können. Entscheidungen über den Verbleib in der Wissenschaft sollen früher getroffen werden. Darüber hinaus strebt die Reform eine Erhöhung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftssystems an.

Wie es mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz weitergeht

Nach dem Kabinettsbeschluss muss der Gesetzesentwurf nun noch den Bundestag und Bundesrat durchlaufen. Da es sich um ein sogenanntes Einspruchsgesetz handelt, ist eine Zustimmung des Bundesrats jedoch nicht nötig. Der Bundesrat kann lediglich Einspruch einlegen, dabei aber vom Bundestag überstimmt werden. Die genauen Termine für die Beratungen in den beiden Institutionen stehen noch nicht fest. Nach der Beschlussfassung und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt soll das Gesetz ein halbes Jahr später in Kraft treten. So haben Hochschulen genug Zeit zur Anpassung. Die potenziellen Neuregelungen haben jedoch keinen Einfluss auf laufende Verträge.

Änderungen am Gesetzesentwurf können nicht ausgeschlossen werden. So hat ein Bündnis aus Gewerkschaften, Studierendenvertretern und Betriebsräten breite Kritik an den Reformplänen geäußert. Begrüßt werden zwar die geplanten Mindestvertragslaufzeiten, diese werden jedoch als zu kurz angesehen. Die geplanten Änderungen am WissZeitVG gehen laut dem Bündnis nicht weit genug und bedrohen dadurch sowohl die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben der Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen sowie die Attraktivität des Wissenschaftssystems. Auch innerhalb der Regierungskoalition gibt es Kritikpunkte. So haben Bildungsexperten und -expertinnen der SPD sowie der Grünen bereits angekündigt sich für Verbesserungen stark zu machen.

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