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Experteninterview: Mehr Souveränität für Frauen im Job

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Wie schaffe ich es, ruhig und gelassen zu bleiben? Wie lerne ich, mich besser durchzusetzen? Wie gelingt es mir, nicht die Nerven zu verlieren?

Diese Fragen über das souveräne Auftreten stellen sich viele Menschen tagtäglich, insbesondere bei kritischen Situationen im Job. Warum sich vor allem Frauen schwer damit tun, ihre Ziele gelassen durchzusetzen und was ihnen dabei hilft, um von Tag zu Tag souverän aufzutreten, erklärt Trainerin Carolina von Wittken im Interview.

Besuchen Sie mein „Souveränitätstraining für Frauen“ – wem würden Sie diesen Tipp ganz besonders an Herz legen?

Carolina von Wittken: Es ist für all diejenigen Frauen interessant, die sich Inspiration und Know-how für neue Handlungsoptionen wünschen. Der Teilnehmerkreis ist meist bunt gemischt: Es kommen Fachkräfte und Führungskräfte aller Ebenen, Sachbearbeiterinnen und auch Assistentinnen in das Seminar. Das macht auch den Charme aus, denn oft sind die Teilnehmerinnen erstaunt, dass die anderen Frauen in ganz ähnlichen Situationen sind, wie sie selbst. Doch beim Thema „Souveränität“ geht es nicht um das Alter, die Erfahrung oder die Position, die jemand erreicht hat. Die Thematik ist vielmehr eine zwischenmenschliche: Wie wirken Frauen auf ihr berufliches Umfeld? Wie ist ihre innere Haltung und wie kommunizieren sie ihre tägliche Leistung? Denn das ist es, was Frauen souverän auftreten lässt und ihnen Ausstrahlung verleiht. Souveränität bedeutet, eine Situation deutlich unter Kontrolle zu haben, aber nicht, auf alles eine Antwort zu haben. Wenn Frauen ein gewisses Alter und Position erreicht haben, können sie mit vielen Situationen sehr souverän umgehen. Und gleichzeitig kann es sein, dass sie sich an anderen Stellen nicht sehr souverän fühlen.

Frauen fehlt es im Beruflichen und Privaten oft an der nötigen Souveränität – wie stehen Sie zu dieser Aussage?

Carolina von Wittken: Selbstverständlich ist das sehr pauschal gesprochen – gleichzeitig gibt es einfach bestimmte Themen und Erfahrungen, die  insbesondere Frauen betreffen, und mit denen Männer im beruflichen Kontext erfahrungsgemäß weniger Probleme haben. Wenn ich hier, der Einfachheit halber, prototypisch von Frauen und Männern spreche, ist es wichtig zu erwähnen, dass sich nicht alle Frauen bzw. Männer in dieser Darstellung wiederfinden werden. Und das ist auch richtig so, denn Menschen sind unterschiedlich. In das Souveränitätstraining kommen die Frauen, die sich von der Thematik angesprochen fühlen, weil sie schon entsprechende kritische Erfahrungen gemacht haben.  

Worauf lässt sich dieser Mangel an Souveränität zurückführen?

Carolina von Wittken: Meine Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass viele Frauen sich oft unbewusst selbst im Wege stehen: Sie sind sehr kritisch mit sich, vergleichen sich zu stark mit anderen. Dadurch entsteht Unsicherheit und sie untergraben ihr eigenes Selbstwertgefühl. Da sie sehr stark auf der Beziehungsebene agieren – ihnen also Harmonie und Zugehörigkeit  besonders wichtig sind –, kann es zudem passieren, dass sie sich in manchen Situationen persönlich angegriffen fühlen und dann höchst emotional werden. Für männliche Kollegen wirken solche emotionalen Reaktionen eher schwach als souverän, eher überfordert als engagiert. Frauen sind aber sehr leistungsstark, fleißig und engagiert. Sie können mit Leichtigkeit höhere Positionen erreichen, wenn sie angemessen über ihre Erfolge berichten. Für Männer ist diese Selbst-PR viel selbstverständlicher. Bei ihnen liegt mangelnde Souveränität tendenziell eher an Missverständnissen auf der Beziehungsebene.  

Woher kommen diese Unterschiede zwischen Männern und Frauen?

Carolina von Wittken: Es gibt zum einen die angelernten Kommunikationsmuster und zum anderen auch physiologische Unterschiede der Gehirnstrukturen. Das erkennt man, wenn man sich den funktionellen Gehirnscan von Männern und Frauen anschaut, während sie gerade ein Problem lösen. Bei Männern beobachtet man, dass dabei ein bestimmtes Gehirnareal sehr stark aktiv ist: Das gibt Männern die Fähigkeit, sehr rational, strukturiert und fokussiert ein Problem zu lösen. Wenn eine Frau ein Problem löst, zeigt der funktionelle Hirn-Scan ein Feuerwerk an Aktivitäten beider Gehirnhälften. Frauen haben dadurch die Fähigkeit, sehr assoziativ zu denken. Sie können Probleme von verschiedensten Perspektiven angehen und in der Thematik leichter von einem Punkt zum nächsten springen. Ich gebe Ihnen dazu ein Beispiel, das mit einem Augenzwinkern gemeint ist. Wenn Männer zum Beispiel Weihnachtsgeschenke besorgen, machen sie sich eine Liste, kaufen das geplante Geschenk, streichen es danach von der Liste und packen es ein. Dann schauen sie auf ihre Liste und gehen erneut los, das nächste Geschenk besorgen. Sie gehen also fokussiert, linear und rational vor. Frauen gehen mit einer vagen Idee in ein Geschäft, sind aufmerksam für alles um sich herum, scannen die Waren und lassen sich vom Angebot inspirieren. Mit dem Ergebnis, dass sie lauter Dinge eingekauft haben, die sie so vorher gar nicht kaufen wollten. Beides ist gut und effizient – nur eben eine andere Herangehensweise. Die gleichen Unterschiede zeigen sich auch im beruflichen Kontext: Männer sprechen in Meetings klar fokussiert, strukturiert und zielgerichtet. Frauen lassen in ihre Ausführungen gerne eine Vielzahl an Details einfließen, sie wollen alle Eventualitäten abdecken, um zu zeigen, was sie erarbeitet haben. Diese Assoziationsfähigkeit ist an sich eine große Stärke, da Frauen oft noch wichtige Aspekte einbringen, die bisher nicht bedacht wurden. Wenn Frauen allerdings auf diese assoziative Art in Meetings kommunizieren, thematisch hin- und herspringen und lange Schachtelsätze formulieren, werden sie oft inhaltlich nicht gehört. Auf Männer wirkt diese Form der Kommunikation leider häufig unstrukturiert und planlos. Diese Wirkung wollen Frauen natürlich nicht erreichen.

Welche weiteren Aspekte führen dazu, dass Frauen oft im Berufs- und Privatleben nicht so souverän auftreten, wie sie sich das wünschen?

Carolina von Wittken: Im Seminar sprechen wir von sieben Hürden, die Frauen auf dem Weg zur Souveränität im Wege stehen. Ich möchte exemplarisch drei davon nennen. Erstens: Frauen netzwerken nicht genug. Oft glauben sie, alles alleine bewältigen zu müssen. Darüber hinaus machen sie sich Gedanken darüber, wie es beim Gegenüber ankommen wird, wenn sie sich lange nicht mehr gemeldet haben und nun plötzlich eine Person mit einem konkreten Anliegen kontaktieren. Dabei könnten sie sich den Weg zu mehr Souveränität erleichtern, wenn sie ihr Netzwerk ganz bewusst ausbauen und pflegen: Denn meist freuen sich die Kontakte, wenn ihre Expertise gefragt ist – und die Frauen können vom Wissen anderer profitieren. Ein zweites Hindernis ist, dass es vielen Frauen schwer fällt „nein“ zu sagen. Das hat wiederum damit zu tun, dass ein Nein für eine Frau häufig gleichbedeutend ist mit einer Ablehnung auf der Beziehungsebene. Also sagen sie viel zu oft „ja“, auch wenn sie „nein“ meinen – und das ist weder gut für den Selbstwert noch für ihr Profil im Unternehmen. Die Fähigkeit „nein“ zu sagen und sich durchzusetzen, ist in manchen Situationen kein Problem und in anderen Situationen oder mit bestimmten Personen fällt es uns dann wieder sehr schwer. Das hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen, die wir im Seminar besprechen, um sie bewusst zu machen. Wer beispielsweise einen inneren Glaubenssatz hat, „wenn ich nein sage, bin ich egoistisch“, wird in der äußeren Kommunikation schwammig, beim Versuch sich durchzusetzen. Frauen sagen dann Sätze wie: „Eigentlich passt es mir nicht so gut“, oder: „Mir ist das nicht ganz so recht“. In der Relativierung steckt ein Widerspruch, und diese Doppelbotschaften führen dazu, dass das „Nein“ auf der Sachebene nicht respektiert wird. Eine dritte Hürde ist, dass Frauen geliebt werden wollen. Und sie legen großen Wert auf die Stimmung, sei es in einer Gruppe, einer Abteilung, einem Meeting oder einer Projektgruppe. Diese Stimmung steht für sie oft über den Inhalten, also wollen es Frauen allen in der Gruppe recht machen. Das ist aber nicht immer möglich. Hier geht es darum, den eigenen Handlungsspielraum zu vergrößern, indem die Sachebene von der Beziehungsebene in der Kommunikation getrennt wird.

Wo setzt das Seminar konkret an, um Frauen souveräner zu machen?

Carolina von Wittken: Es geht in diesem Seminar sehr stark um introspektive Betrachtung der eigenen Haltung und Verhaltensweisen und natürlich Tipps und Tricks für ein souveränes Auftreten. Frauen sollten dabei Frauen bleiben und ihre Stärken nutzen lernen. Wenn Frauen nicht mit dem eigenen Ton und der eigenen Wortwahl kommunizieren, wirkt das meist auswendig gelernt und somit nicht authentisch. Weit nachhaltiger ist der Ansatz, einen soliden Selbstwert auszubauen: Wir stärken Frauen. Konkret geht es darum, ihre innere Haltung zu sich selbst und zu anderen zu festigen. Dazu machen wir im Seminar viel introspektive Arbeit. Wir betrachten Souveränität von verschiedenen Seiten, damit die Teilnehmerinnen darüber nachdenken, was sie wollen, was ihre Bedürfnisse sind, was ihr Hauptmotivator ist, um aus sich selbst eine natürliche und souveräne Kommunikation zu entwickeln. Gerade beim souveränen Umgang mit Lob und Kritik wird deutlich, wie relevant es ist, dass Frauen wissen, wer sie sind, was sie leisten und auch innerlich dazu stehen. Wenn Frauen innerlich einen stabilen Wert haben, wissen sie, dass eine kritische Anmerkung sie nicht in ihrer ganzen Person infrage stellt. Das Feedback ist vielmehr eine Momentaufnahme, die ihnen von außen gespiegelt wird. Wer sich so davon distanzieren kann, kann aus einer Position der Stärke heraus Kritik aufnehmen und dem Gegenüber auf Augenhöhe begegnen.  Ein souveräner Umgang mit Lob und Kritik ist im beruflichen Kontext ein wichtiger Erfolgsfaktor und für die eigene Außenwirkung entscheidend.

„Stärken stärken“ ist also der wichtigste Hebel zu mehr Souveränität?

Carolina von Wittken: Einer der sehr wichtigen Hebel, denn wir lernen am effizientesten durch Stärken, wie viele Studien zeigen. Wenn wir versuchen, unsere Schwächen zu reduzieren, müssen wir bei Weitem mehr Kraft aufwenden, um zu einem ähnlich guten Ergebnis zu kommen. Stärken bauen Selbstwert auf – und damit verschwinden interessanterweise häufig auch negative Aspekte, weil Menschen entspannter und wohlwollender kommunizieren. Das heißt nicht, dass es im Seminar darum geht, alles gutzureden; wir beschäftigen uns auch kritisch mit vielen Aspekten. Dennoch ist das Stärken der eigenen Position ein wichtiges Ziel.

Welche weiteren wichtigen Hebel gibt es, um Frauen souverän auftreten zu lassen?

Carolina von Wittken: Ein weiterer Angelpunkt ist es, den Teilnehmerinnen die Möglichkeit zu geben ihr eigenes Handeln zu reflektieren. Das gelingt im Seminar durch viele Beispiele aus dem Arbeitsalltag, denn ich möchte die Teilnehmerinnen dort abholen, wo sie sind: Sie erkennen sich in vielen Situationen wieder, weil sie selbst schon einmal in einer ähnlichen Situation waren oder gleiche Reaktionen bekommen haben. Auf dieser Grundlage entwickeln wir dann neue Handlungsoptionen. Dabei verfolge ich einen systemischen Ansatz: Es geht nicht darum, ein Patentrezept zu entwickeln – sondern eine Lösung, die für die Einzelne funktioniert. Ein dritter Hebel ist der Austausch zwischen den Teilnehmerinnen. Es ist wichtig, dass sie erkennen, dass andere Frauen ganz ähnliche Probleme haben. Das führt zu einem Aha-Effekt: Die Frauen sehen andere erfolgreiche Frauen und denken sich, wie absurd es ist, dass diese so ein kritisches Bild von sich selbst haben. Denn leider besteht, gerade bei uns Frauen, häufig eine große Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild. Durch diesen Impuls fangen die Teilnehmerinnen an, ihr eigenes Selbstbild nachhaltig zu überdenken.

Wie gelingt denn der Transfer des Gelernten in die Praxis?

Carolina von Wittken: Es besteht beim Lernen neuer Handlungsmuster die Gefahr, zu früh aufzugeben, weil die Umsetzung nicht sofort funktioniert. Ein Problem vieler Seminare liegt in der Nachhaltigkeit. Manche Teilnehmer geben nach dem zehnten Mal auf, wenn sie wieder im alten Handlungsmuster reagiert haben, weil sie sich sagen: Das lern ich nie. Doch das ist so nicht korrekt. Unser Gehirn lernt bei jeder Wiederholung. Und irgendwann wird uns schon vor der Handlung klar, dass wir schon wieder drohen ins alte Muster zurückzufallen. Ab diesem Punkt haben wir eine Wahlmöglichkeit und können uns dafür entscheiden, das neue Handlungsmuster anzuwenden. Das ist der Prozess, wie wir neue Inhalte integrieren. Deshalb mache ich die Teilnehmerinnen des Seminars darauf aufmerksam, dass es bereits ein Teil des Lernens ist, noch einige Male nach den alten Handlungsmustern zu agieren. Durch den introspektiven Ansatz passiert aber die größte Veränderung direkt im Seminar. Sobald ihnen bestimmte Aspekte bewusst geworden sind, ist es einfach schwer, sie danach wieder zu vergessen.

Wie zieht man den größten Nutzen aus dem Seminar?

Carolina von Wittken: Die Teilnehmerinnen sollten sich Zeit lassen und nicht von sich erwarten, alles sofort in die Tat umzusetzen. Denn das führt zu einer doppelten Überforderung: Die Frauen überfordern sich selbst, aber auch ihre Umwelt. Deshalb sollten sie in den ersten zwei Wochen nach dem Seminar erst einmal nur beobachten und das Beobachtete für sich bewerten. Aus dieser Rolle heraus erkennen sie zudem viel neutraler, welche Dinge in ihrem Umfeld gut laufen und welche nicht; sie bekommen etwa ein gutes Gespür für Macht- und Kommunikationsstrukturen. Und damit beginnt ein automatischer Lernprozess. Nach so einer Beobachtungsphase können die Frauen sich einzelne Themen des Seminars vornehmen und dann peu à peu nacheinander umsetzen. Denn dann ist das Gehirn schon vortrainiert und hat ein gutes Gespür für die jeweiligen Situationen.

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Über den:die Autor:in

Sabine Carolina von Wittken

Kommunikationswirtin (BA). Selbstständig als Trainerin, Coach, Beraterin. Systemische und therapeutische Weiterbildungen. Trainingsschwerpunkte: Verhandlungstechniken, Selbst-PR, persönliche Kompetenzentwicklung. Erfahrungen in den unterschiedlichsten Branchen.

 

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