Den ganzen Tag prasseln von morgens bis abends Informationen auf uns ein. Da passiert es immer häufiger, dass man gar nicht mehr richtig „zuhört”. Menschliche Kommunikation ist aber keine Einbahnstraße! Die Grundlage einer gelungenen Kommunikation ist auch immer das richtige Zuhören – und das will gelernt sein, denn Zuhören ist nicht gleich Zuhören.
Jede:r von uns hat sich im Laufe der Zeit durch Erfahrungen und Prägungen eine bestimmte Art des Zuhörens angewöhnt. Zum Beispiel können wir unseren Gesprächspartnern über Blickkontakt signalisieren , dass wir an ihren Ausführungen interessiert sind. In dem Fall spricht man vom sogenannten aufnehmenden Zuhören. Eine andere Form des Zuhörens ist das Paraphrasieren: Hier werden Fakten nach einem Gespräch noch einmal sachlich zusammengefasst. Zuhörer:innen, welche auf den ersten Blick nur passiv agieren, beeinflusst das Gelingen der Kommunikation übrigens genauso, wie die Sprecher:innen. Es lohnt sich also, die eigene Zuhörkompetenz zu stärken. Dies gelingt, indem man sich zunächst einmal bewusst wird, wie das Zuhören wirklich funktioniert.
Das Vier-Ohren Modell: So funktioniert Zuhören
Um zu verstehen, wie der Prozess des Zuhörens abläuft, kann das bekannte Vier-Ohren-Modell des Kommunikationswissenschaftlers Schulz von Thun eine große Hilfe sein. Schulz von Thun entwickelte das auch als „Kommunikationsquadrat“ bekannte Modell, um ein Bewusstsein für die Feinheiten des Zuhörens und der zwischenmenschlichen Kommunikation zu schaffen. Er verfolgt die Theorie, dass das Senden und Empfangen einer Nachricht immer auf vier verschiedenen Wegen gleichzeitig geschieht. Das bedeutet, dass jede unserer Äußerungen – ob wir wollen oder nicht – immer vier Botschaften enthält, die von unserem Gegenüber auch auf vier unterschiedliche Weisen interpretiert werden können. So erklärt das Modell, warum sich Menschen missverstehen und aneinander vorbeireden.
Laut Schulz von Thun existieren folgende vier Zuhörtypologien:
- Informationshören: Sie hören die Sachinhalte heraus und filtern Zahlen, Daten, Fakten.
- Beziehungshören: Sie hören die Zwischentöne und nehmen sehr genau auf, wie andere Menschen zu Ihnen stehen.
- Appellhören: Sie hören die Aufforderung, die hinter einer Nachricht steckt und reagieren darauf.
- Selbstoffenbarungshören: Sie nehmen die Signale auf, die andere Personen über sich selbst mitteilen und ordnen diese empathisch ein.
Besseres Verhandeln durch richtiges Zuhören
Insbesondere in Verhandlungssituationen ist gutes Zuhören unerlässlich. Unter anderem um folgende Fragen beantworten zu können: Wie tickt mein Gegenüber? Welche Erfahrungen hat sie:er bereits in anderen Situationen gemacht und was bedeuten diese für unsere Verhandlung? Welche Erwartungen werden deutlich? Und an welcher Stelle ist sie:er offen für Zugeständnisse?
Hören wir genau hin, können wir anknüpfen und unsere Interessen formulieren.
Stellen wir uns vor, unser Gesprächspartner will uns für die Position „Mehr Homeoffice-Tage für das gesamte Team‚ gewinnen. Ihr Standpunkt ist aber: Wir werden unsere Ziele nur erreichen, wenn wir in Zukunft in Präsenzmeetings offen diskutieren und mit dem Einsatz von Moderationstechniken kreative Lösungen entwickeln. Dafür braucht es in den nächsten sechs Monaten das Team vor Ort, um alle Meinungen zuzulassen und kontrovers zu diskutieren. Während Sie Ihrem Gesprächspartner zuhören, merken Sie, wie sie:er die eigene Position absichert und mauert, um sich nicht auf andere Argumente einzulassen. Sie signalisieren über aufnehmendes Zuhören, dass Sie die Argumente nachvollziehen und versuchen herauszubekommen, welche Interessen sich dahinter verbergen. Gibt es Routinen im Team, die sich im Verlauf der letzten 15 Monate eingestellt haben, und die beibehalten werden sollen? Gibt es Versorgungsengpässe bei Familienmitgliedern, wenn wieder mehr Präsenzarbeit am Arbeitsplatz stattfindet? Wird befürchtet, dass weniger Zeit und Konzentration für konzeptionelle Arbeit zur Verfügung steht, weil das Tagesgeschäft drückt?
Durch Paraphrasieren können Sie die Antworten des Gesprächspartners zusammenfassen und in Zusammenhang mit ihren eigenen Interessen bringen. Die Lösung kann dann beispielsweise darin bestehen, die Priorisierung von Teamaufgaben gemeinsam festzulegen und so mehr Zufriedenheit durch Transparenz und Selbstorganisation zu erzielen. Oder auch liebgewonnene Gewohnheiten aus dem Homeoffice (Frühstück mit den Kindern) durch mehr Flexibilität der Arbeitszeiten beibehalten zu können.
Gutes Zuhören fördert in dem Fall, die Wünsche und Bedürfnisse unseres Verhandlungspartners zu erkennen und konstruktiv zu kommunizieren, wo Interessen übereinstimmen und wo nicht. Auf diesem Weg fühlt sich Ihr Gegenüber ernst genommen und Konflikte, die auf kommunikativen Missverständnissen beruhen, werden vermieden.