Business-Coaching wird als wirkungsvolles Entwicklungs- und Förderinstrument vor allem für Führungs- und Führungsnachwuchskräfte diskutiert. Mit der zunehmenden Akzeptanz von Coaching in Unternehmen, der steigenden Wertigkeit von Fachkarrieren als Alternative zur Führungskarriere und der drängenden Notwendigkeit, bei guten Fachkräften in Mitarbeiterbindung zu investieren, gewinnt Coaching auch für Fachkräfte an Bedeutung. In diesem Artikel wird anhand eines Fallbeispiels gezeigt, wie Coaching mit dem Fokus Karriereschritt und Standortbestimmung bei einer Gruppe Ingenieure eingesetzt wurde:
Der Fall
Im Rahmen einer Mitarbeitendenbefragung stellte sich bei einem Team von 12 Ingenieuren als Wunsch zur höheren Zufriedenheit heraus, Anregungen zur eigenen Weiterentwicklung zu erhalten. In Zusammenarbeit mit der zuständigen Personalentwicklerin entstand die Idee, mit den Ingenieuren einen neuen Weg zu gehen und ihnen ein Coaching zur Standortbestimmung anzubieten. Coaching war dieser Zielgruppe nicht vertraut und der Methode wurde erst einmal mit Abstand und Distanz begegnet.
Das Konzept und die Umsetzung
Das Coaching war vor allem als Wertschätzung gedacht und war absolut freiwillig. Zwei Coaches, die bereits Vorerfahrung mit Ingenieuren als Zielgruppe hatten, waren vorgesehen, das Projekt zu begleiten. Der Fokus für alle sollte sein, eine Standortbestimmung in der aktuellen beruflichen Situation vorzunehmen: Wie sehen Meine Position, mein Potenzial, meine beruflichen Wünsche aus? Wo habe ich Entwicklungsfelder? Welche Möglichkeiten habe ich?
In einem Auftaktworkshop mit der gesamten Gruppe sollten die Teilnehmenden zunächst vertraut werden mit Coaching als Entwicklungsform: Was passiert da? Was macht der Coach? Was wäre ein möglicher Nutzen für mich? Einer der begleitenden Coaches stellte sich und Coaching in diesem Sinne vor. In einer Übung (Lebens- und Berufsphasen: Wo stehe ich?) führte er die Teilnehmer:innen bereits in eine erste Selbstreflexion. Dann wurden den Teilnehmenden die nächsten Schritte erläutert:
- Fremdbild-Selbstbildabgleich: Es wurde den Teilnehmenden die Möglichkeit geboten, anhand eines psychometrischen Tests ihr Bild von den eigenen Potenzialen und Entwicklungsfeldern zu schärfen. Wer wollte, konnte ein Fremdbild unter den Kolleginnen und Kollegen einholen.
- In zwei Einzel-Coaching-Sitzungen à 2 Stunden hatten die Teilnehmer:innen die Möglichkeit, die Ergebnisse mit einem der beiden Coaches zu reflektieren und nächste Entwicklungsschritte zu planen.
Im Anschluss an den Auftaktworkshop war die spannende Frage, ob sich die Ingenieure trotz Skepsis von dem Konzept überzeugen ließen und sich auf ein Coaching einlassen wollten. Das Überraschende: Alle 12 Teammitglieder nahmen die Möglichkeit in Anspruch. In den anschließenden Coachings spielten unter anderem die folgenden Themen eine Rolle:
- Sensitivität ausbauen durch Beobachten, Zuhören, Fragen stellen und Perspektivwechsel
- Drei-Jahresplan entwickeln
- Bestätigung des eigenen Weges mit guter Balance zwischen Arbeit und Familie
- Einüben von bestimmterem Auftreten
- Identifizieren von Möglichkeiten, mehr Flexibilität zu zeigen
- nächste berufliche Schritte überlegen und planen
- Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Risiken eines Stellenwechsels
- Selbstvertrauen und Zutrauen in eigene Fähigkeiten stärken
Das Ergebnis
Die Fachexperten, die sonst gewohnt sind, sich mit Sachthemen zu beschäftigen, haben sich in unserem Beispiel die Zeit genommen und sich sehr aktiv und mit Unterstützung mit sich selbst auseinandergesetzt. Dies war, je nach Reflexionsgrad der Personen, für die meisten Teilnehmer:innen ungewohnt. Dabei wurde den Teilnehmenden auch bewusst, wie gut eigentlich die Passung ihres Profils mit dem aktuellen Umfeld ist. Bei guter Passung führte das zu einer Verstärkung der Unternehmensbindung, bei weniger guter Passung auch zu gezielteren Überlegungen für Veränderungen.
Basierend auf dem Fremdbild-Selbstbild-Abgleich und den Gesprächen mit dem Coach haben sich zudem auch Metathemen der Organisation herauskristallisiert: Bedarf an Verbesserung der Führungsqualität und eine ausgeprägt geringe Leistungs- und Gestaltungsmotivation.
Fazit
Was gilt es beim Coaching von Fachkräften besonders zu berücksichtigen? Je nach Umfeld und Vertrautheit mit dem Thema stehen Fachkräfte dem Coaching oft skeptisch gegenüber. Eine gute Information, was Coaching bedeutet, wie es abläuft und was es auch nicht ist, z. B. Ratgeber, sollte unbedingt im Vorfeld stattfinden. Bei entsprechender Vorbereitung und Kommunikation kann Coaching auch unter Fachkräften ein akzeptiertes und hoch wirksames Instrument zur Weiterentwicklung von Kultur, Persönlichkeit und Zusammenarbeit werden – hier ist von großem Vorteil, wenn der Coach die Sprache der Expertinnen und Experten spricht. So war dann auch das Fazit der Teilnehmer:innen am vorgestellten Projekt: In der von ihnen erlebten Form würden sie das Coaching unbedingt weiterempfehlen.
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