Entwickeln Sie Personal oder managen Sie schon Talente?

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Unsere Welt dreht sich schneller und schneller. Insbesondere am Beispiel der Automobilindustrie wird auf dramatische Weise klar, welch enormer Wandel und Innovationsdruck auch im Bereich der Personalentwicklung auf den Unternehmen lastet.

Wir sprechen nicht mehr nur davon, dass Fahrzeuge bei Spritverbrauch und Emissionen deutlich günstigere Umweltbilanzen vorweisen sollen. Wir sprechen von völlig neuen Antriebskonzepten (Wasserstoff, Elektro) und selbstfahrenden Fahrzeugen. Wir sprechen davon, dass insbesondere jungen Menschen der Besitz eines Autos nicht mehr so wichtig ist – es hat als Statussymbol ausgedient. Wer nun glaubt, diesen Wandel lediglich mit bewährten, erfolgreichen Strategien und Konzepten bewältigen zu können, irrt und riskiert den Totalschaden. „Never change a winning team” hat als Konzept ausgedient!

In Zeiten disruptiver Veränderungen und angesichts einer dramatischen Abnahme der Halbwertzeit von Wissen, gewinnt der Begriff des lebenslangen Lernens (Life-Long- Learning) massiv an Bedeutung. Unternehmen und ihre Führungskräfte werden sich bewusst: Es reicht nicht mehr, sich nebenbei um den Erhalt des Fachwissens der Mitarbeiter:innen zu kümmern. Vielmehr ist die Kompetenzentwicklung im Unternehmen zu einem erfolgskritischen Faktor geworden.

Von der Personalentwicklung zum Talent Management

Daher verwundert es nicht, dass die ursprünglich als „Personalentwicklung” betitelte Funktion im Unternehmen mittlerweile eine enorme Professionalisierung erfahren hat, hin zum ganzheitlichen Talent Management. Und die Ansprüche steigen weiter: Wo früher das Organisieren und Durchführen von Weiterbildungsveranstaltungen den Schwerpunkt bildeten, geht es heute um die Gestaltung von Prozessen, Systemen und die gesamtheitliche Verantwortung für die Talentgewinnung, -entwicklung und -nutzung. Ganzheitliches Talent MANAGEMENT bedeutet heute Definieren, Messen, Steuern und Regeln.

In den letzten Jahren hat sich daher ein neues Job-Profil etabliert, der:die Talent Manager:in. In klassischen Stellenausschreibungen für Personalleitungsfunktionen wird oft „Erfahrung im Talent Management” gefordert. Hiermit sind überwiegend juristische und personalwirtschaftliche Erfahrungen im eher administrativen Bereich gemeint. Der:die Talent Manager:in hingegen ist als eigene Berufsbezeichnung inzwischen etabliert, und es gibt wohl kaum ein Unternehmen in Deutschland, in dessen Personalstrategie das Thema Talent Management nicht einen bedeutenden Platz einnimmt. Der:die Talent Manager:in moderner Prägung beeinflusst die Entwicklung seines Unternehmens  maßgeblich. Dazu muss der:die Manager:in den Spagat zwischen strategischer Relevanz von Themen (Demografie, Vielfalt/Quote, …) und operativem Druck des Business („die richtige Person hier und jetzt“) bewältigen – keine leichte Aufgabe.

Dabei kommt es maßgeblich darauf an, Talent Management als übergeordnetes Thema zu begreifen. Nur wer Gesamtzusammenhänge sieht, Recruiting, Potenzialentwicklung, Performance Development, Succession Management, Anreizsysteme und den Nutzen für das Unternehmen gleichermaßen überblickt, kann langfristig eine Systematik etablieren, die dem Anspruch, Talent auch wirklich zu managen, genügt. Zu häufig wird in der Unternehmenspraxis das Altbekannte („Personalentwicklung”) lediglich neu verpackt: ein Etikettenschwindel, der angesichts eines vom Arbeitgebenden- zum Arbeitnehmendenmarkt gedrehten Arbeitsmarktes zum Scheitern verurteilt ist.

So ist in keiner Weise verwunderlich, dass in vielen Unternehmen über die Frauenquote gesprochen wird, gesteuerte Maßnahmen zum Erreichen einer zuvor klar definierten Vielfalt in der Belegschaft aber eher die Ausnahme sind. Wer sich eine Quote verordnet, ohne alle Instrumente und Prozesse modernen Talent Managements darauf auszurichten, kommt über sinnlose Lippenbekenntnisse nicht hinaus.

Zahlen, Daten, Fakten

Natürlich geht es beim Talent Management in erster Linie um Menschen, aber auch „hard facts”, Zahlen, Daten und Fakten, spielen eine Schlüsselrolle. Neben guten Prozessen und einer unternehmerisch geprägten, durchdachten Anwendung gilt es, intelligente Kennzahlensysteme einzurichten und alle Maßnahmen gleichermaßen auszurichten. Ab einer gewissen Unternehmensgröße ist eine unterstützende IT-Lösung unverzichtbar. Der Markt hierfür ist reichlich intransparent, umso wichtiger ist ein passender Kriterienkatalog bei der Auswahl der Anbieter:innen.

„Kultur isst Strategie zum Frühstück”

Dieses von Peter Drucker zugeschriebene Zitat spiegelt auf perfekte Weise, warum Talent Management vielerorts nicht den gewünschten Erfolg bringt. Selbst wenn ein:e Talent Manager:in eingesetzt, „Talent” einheitlich definiert, Prozesse standardisiert eingeführt und KPIs festgelegt wurden: Solange Führungskräfte Talente als ihr „privates Gut” betrachten, sind alle Bemühungen zum Scheitern verurteilt. Eine verantwortliche Organisation und gute Prozesse sind viel Wert. Nur eine Talentkultur jedoch, in der Führungskräfte gemeinsam mit dem Talent Manager oder der Talent Managerin ihre Rolle als oberste Talententwickler ernst nehmen, Talente entwickeln und gern in weiterführende Funktionen abgeben, zeigt die gewünschten Effekte.

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Über den:die Autor:in

Torsten Bittlingmaier

arbeitet als Berater, Coach und Referent. Er ist ein erfahrener Personalmanager mit umfangreichem Know-how in sämtlichen Feldern der operativen und strategischen, auch internationalen, Personalarbeit. Seine Expertise gewann Bittlingmaier unter anderem in führenden Positionen des Personalmanagements bei der Linde AG, MAN, der Software AG und der Deutschen Telekom.

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