Kann das Personalmarketing vom Produktmarketing etwas lernen? Nein, sagen die einen, denn Produktmarketing und Personalmarketing sind zu unterschiedlich. Möglicherweise schon, sagen die anderen, denn das Produktmarketing ist zumindest die Disziplin mit der längeren Erfahrung.
Zudem hat das Produktmarketing den Dreh des Absatzmarktes vom Verkäufer- zum Käufermarkt schon hinter sich. Das Personalmarketing hingegen steckt noch mitten im Wandel vom arbeitgeberdominierten zum arbeitnehmerdominierten Arbeitsmarkt.
In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Lessons Learned das Produktmarketing den Fachkräften des Personalmarketings anbieten kann.
Vorab: Personalmarketing ist bereits ein von der Etymologie her irreführender Begriff. Beim Produktmarketing geht es um die Vermarktung von Produkten, beim Investitionsgütermarketing um die Vermarktung von Investitionsgütern, aber beim Personalmarketing wird keineswegs das Personal zu Markte getragen. Ganz im Gegenteil: Ziel ist vielmehr das Gewinnen von Personal.
Insoweit ist der Begriff „Arbeitgebermarketing“ wesentlich angebrachter, denn beim Personalmarketing wird Marketing für das Unternehmen als Arbeitgeber betrieben. Denkbar wäre auch der Begriff „Stellenmarketing“, soweit es um das Vermarkten von Stellen geht. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich aber dennoch das leicht irreführende „Personalmarketing“ durchgesetzt.
Was vermarkten wir im Personalmarketing?
Abseits dieser Fragen der Begrifflichkeit: Kann das Personalmarketing vom Produktmarketing etwas lernen? Wer sich alte Werbeanzeigen ansieht, stellt fest: Das Produktmarketing hat sich enorm gewandelt. Diese Veränderung wurde insbesondere durch den Wandel am Absatzmarkt in den 60er und 70er Jahren angestoßen. Da vollzog sich der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt.
Im Zuge dieses Marktwandels ernannten die Unternehmen den Kunden oder die Kundin zum König bzw. zur Königin. Seit dieser Zeit werden Begriffe wie Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und Kundenzentrierung verwendet. Unternehmen richteten sich und ihre Produkte und Dienstleistungen auf den Kunden bzw. die Kundin aus und auf dessen Wünsche.
Denn seit dieser Zeit entscheidet der Kunde bzw. die Kundin mit ihrer bzw. seiner Kaufentscheidung über Wohl und Wehe des Produkts, oftmals sogar des gesamten Unternehmens. Selbstverständlich gab es auch damals Unternehmen, die kein Interesse an den Wünschen ihrer Kunden und Kundinnen zeigten. Nahezu zwangsläufig verloren sie nach und nach all ihre Kunden und Kundinnen, gingen unter oder wurden von Wettbewerbern übernommen.
Personalmarketing im Wandel
Können wir aus diesen Erfahrungen etwas für das Personalmarketing lernen? Denn die Parallelen liegen doch auf der Hand: Damals vollzog sich am Absatzmarkt der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt; heute vollzieht sich am Arbeitsmarkt der Wandel vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt. Wir sollten daher jetzt beginnen, die Mitarbeitenden und Bewerber und Bewerberinnen in den Mittelpunkt zu stellen. Alle Unternehmen, die dies jetzt nicht tun, sollten wissen, was auf sie zukommt: Ihr Untergang.
Gibt es weitere interessante Erfahrungen? In der klassischen Wirtschaftstheorie und vor dem Absatzmarktwandel regierte die Grundannahme des Homo Oeconomicus: Der Mensch galt als Wesen, das rein rational unter Kosten-Nutzen-Abwägung stets die für ihn günstigste Alternative wählt. Heute wissen alle Marketingfachleute: Die Kaufentscheidung fällt zu 80 Prozent auf der emotionalen Ebene, der „Bauchgefühl-Ebene“.
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Mehr Emotionen im Personalmarketing
Das ist bei Bewerbungs- und Eintrittsentscheidungen nicht anders. Aber wie sehen unsere Stellenanzeigen heute noch in der Mehrzahl aller Fälle aus? Erst kommt „Ihre Aufgaben“ und „Sie bringen mit“, dann kommt das „wir bieten“. In anderen Worten: Erst Kosten, dann Nutzen. Denn Stellenanzeigen versuchen stets, auf der rationalen Ebene zu überzeugen.
Doch kein Hersteller würde heute auf diese Weise seine Autos anpreisen. Stattdessen betont der eine im Produktmarketing die „Freude am Fahren“, der andere „Vorsprung durch Technik“ und der dritte „Das Beste oder nichts“. Hier werden Werte genannt, mit denen sich die Käuferzielgruppe identifiziert. Denn es ist allseits bekannt: Emotionales Marketing bringt Erfolg, die rationale Ansprache nicht. Die Hersteller haben erkannt: Wer den Menschen als Homo Oeconomicus behandelt, wird nichts verkaufen.
Also lassen Sie uns doch auch im Personalmarketing versuchen, Personal emotional zu gewinnen und aufhören, sie rational überzeugen zu wollen. Bringen wir die Entscheidung für uns als Arbeitgeber auf die emotionale Ebene. Wir können potenziellen Bewerber:innen doch ein gutes Bauchgefühl verschaffen, indem wir authentische, emotionalisierende Aspekte ansprechen: Arbeitsrelevante Werte, Ziele und andere unternehmenskulturelle Eigenschaften bieten uns dafür einen mehr als ausreichenden Fundus.
Im Personalmarketing die Differenzierungsstrategie fahren
Gibt es noch mehr Erfahrungen aus dem Produktmarketing? Ja. Bleiben wir weiter bei unserem Beispiel, dem Produktmarketing für Fahrzeuge. Vor dem Absatzmarktwandel stand stets eine gewisse Zahl an absolut identischen Neufahrzeuge in den Verkaufsräumen der Autohäuser. Denn durch absolut gleiche Fahrzeuge konnten die Hersteller große Losgrößen und damit günstige Herstellkosten realisieren. Die Folge war, dass Kunde X bzw. Kundin Y sein 08/15-Auto nach dem Kauf regelmäßig individualisierte: In den 70ern versah fast jede:r sein:ihr Fahrzeug mit Zusatzinstrumenten, Zusatzscheinwerfern, Fahrwerksveränderungen, Spoilern oder zumindest mit zig Aufklebern.
Dann erkannten die Hersteller, dass sie durch das Anbieten einer Möglichkeit zur Individualisierung der Produkte diesem Bedarf bzw. den Bedürfnissen ihrer Kunden und Kundinnen nachkommen und mehr verkaufen könnten. So gelang den Unternehmen am Absatzmarkt der Wandel von der Preisstrategie zur Differenzierungsstrategie. Indem man dem Kunden und der Kundin das – heute für uns selbstverständliche – individuelle Konfigurieren des Fahrzeuges ermöglichte, konnten sich Early Adopter erfolgreich vom Wettbewerb differenzieren.
Authentische, für die Zielgruppe relevante Aspekte
Interessant ist: Im Gegenzug für diese Individualisierungsmöglichkeit zahlt der Käufer bzw. die Käuferin für seinen VW Golf beispielsweise heute etwa achtmal so viel wie damals. Aber dafür muss er:sie ja auch keine Spoiler mehr montieren. Auffällig ist, dass insbesondere diejenigen Unternehmen, die diese Chance nicht genutzt haben oder keine Möglichkeit zur Individualisierung ihrer Produkte hatten, keine Preissteigerungen dieses Ausmaßes erzielen konnten.
Es könnte sich daher im wahrsten Sinne des Wortes lohnen, auch am Arbeitsmarkt zukünftig die Differenzierungsstrategie zu fahren und nicht die Preisstrategie, die man hier als Gehaltsstrategie („mehr zahlen als die anderen Arbeitgeber“) bezeichnen könnte. Sofern wir auch am Arbeitsmarkt lieber die Differenzierungsstrategie umsetzen wollen, sollten wir versuchen, uns als Arbeitgeber durch differenzierende Einzigartigkeiten aus dem Korsett der Vergleichbarkeit zu befreien.
Und das am besten direkt mit Aspekten, die unsere Ziel-Bewerber:innen auf emotionaler Ebene berühren. Die ersten Arbeitgeber stellen beispielsweise ihren Arbeitnehmenden drei zusätzliche Urlaubstage in Aussicht, wenn diese an einem Nachhaltigkeitsprojekt teilnehmen. Der Effekt: Die Zielgruppe der Bewerber:innen, denen wichtig ist, in einem Betrieb zu arbeiten, dem ESG am Herzen liegt, erhalten hierdurch einen starken Eintrittsanreiz.
Mega-Trend: Individualisierung
Bekanntlich hat das Produktmarketing schon vor einigen Jahrzehnten erkannt: Wenn der Kunde bzw. die Kundin am Drücker sitzt, wird er das Angebot zur Individualisierung – beispielsweise seines:ihres Neufahrzeugs – über kurz oder lang als Selbstverständlichkeit ansehen. Auch das wird bei Stellen vermutlich nicht viel anders sein. Können wir Stellen individualisieren – und wenn ja, wie? Können wir jedem sein Arbeitsplätzchen backen?
Manchen Arbeitgebern gelingt dies bereits ganz gut. Sie bieten schon heute weitgehende Individualisierungsmöglichkeiten im Hinblick auf Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit, Arbeitsort und sogar bezüglich der Arbeitsinhalte. Indem sie beispielsweise die Arbeitszeit im Rahmen des Machbaren und Sinnvollen komplett flexibel und auf die individuellen Wünsche der Bewerber:innen und der Mitarbeitenden ausrichten, schlagen sie diejenigen Arbeitsmarktwettbewerber aus dem Rennen, die nur die Varianten Vollzeit, Teilzeit und geringfügige Beschäftigung anbieten.
Bewerberorientierung statt Selbstdarstellung
Manch einer fragt sich tatsächlich auch, warum in Stellenanzeigen traditionell als erstes und ganz oben ein größerer Block über das Unternehmen erscheint. Müssen wir uns wirklich erst einmal über 10 Zeilen vorstellen? Und natürlich, notfalls dank entsprechend klein geschnittener Märkte, dann auch immer irgendwie Marktführer sein? Aus unserer eigenen Lebenserfahrung wissen wir, dass uns Menschen, die beim Kennenlernen erst einmal lang und breit von sich erzählen, selten sympathisch sind.
Im Produktmarketing fällt die Unternehmensdarstellung üblicherweise ganz weg. Das Marketing für Bounty beispielsweise transportiert Südsee-Feeling, Palmen und Kokosnüsse, wobei letztere den Bezug zum Produkt ermöglichen. Es würde uns befremdlich erscheinen, wenn wir im Marketing für Bounty erst einmal erfahren würden, dass es ein Produkt der über 100 Jahre alten Firma Mars ist, diese mit rund 150.000 Mitarbeitende über 50 Mrd. US-Dollar Umsatz macht und dank Chappi, Whiskas, Frolic und Co. auch noch Weltmarktführer für Tiernahrung ist.
Lassen Sie uns auch hieraus lernen und die Unternehmensdarstellung erstens kürzen und zweitens darauf ausrichten, wie sich das Arbeiten bei uns anfühlt. Da können wir alle wirklich notwendigen und arbeitsrelevanten Aspekte unseres Unternehmens doch sinnvoll und zielführend einbauen.
Was Bewerber:innen finden
In vielen Stellenanzeigen findet sich noch immer die Formulierung „Wir suchen“. Diese Information ist erstens redundant. Jeder weiß, dass Sie Personal suchen, sonst würden Sie ja keine Stellenanzeige schalten. Zweitens wird sich niemand deswegen bei Ihnen bewerben, weil Sie so verzweifelt suchen. Drittens: Würden Sie in ein Restaurant gehen, das vor dem Eingang ein großes Schild aufgehängt hat, auf dem „Wir suchen Gäste“ steht? Oder in ein Geschäft, das mit „Wir suchen Kunden“ für sich wirbt? „Wir suchen“ ist eher abschreckend als anziehend, allenfalls mitleiderregend.
Interessant ist auch die häufige Formulierung „Bewirb dich jetzt!“ Dies ist unzweifelhaft grammatikalisch die Imperativ- bzw. Befehlsform. Ob die Befehlsform angemessen ist in einem Markt, in dem man Wert auf Augenhöhe legt, muss jeder Arbeitgeber für sich beurteilen. Aber klar ist: Niemand würde ein Produkt kaufen, wenn und weil der Verkäufer es ihm befiehlt.
Knackigere Employer Brands
Auch beim Employer Branding bieten sich einige Möglichkeiten, vom Product Branding und dem Corporate Branding zu lernen. Nehmen wir das Beispiel Ritter Sport: Wer denkt, wenn er diesen Markennamen hört, nicht sofort an „quadratisch, praktisch, gut“? Und jeder weiß auch, welches Getränk Flügel verleiht. Eine gute Marke stellt auf ein einprägsames Merkmal ab, manchmal zwei und höchstens drei.
Anders beim Employer Branding: Man sieht immer wieder Employer Brands oder besser gesagt das, was manche Arbeitgeber als ihre Employer Brand bezeichnen, die 5, 8 oder sogar 10 Aspekte beinhalten – und dann noch ein paar erklärende Worte dazu. Die Chance, dass sich diese bei unseren Bewerberzielgruppen einprägen, dürfte gleich Null sein. Lassen Sie uns auch im Employer Branding so vorgehen wie beim Product Branding und uns auf ein bis drei wesentliche und auch noch differenzierende Merkmale konzentrieren.
Fazit
Können wir etwas aus den Erfahrungen des Produktmarketings für die Gestaltung des Personalmarketings mitnehmen? Ja und nein. Es macht sicher keinen Sinn, die Vorgehensweisen, Methoden und Techniken des Produktmarketings eins-zu-eins für das Vermarkten von unserem Unternehmen als Arbeitgeber und das Besetzen der offenen Stellen zu kopieren. Aber vielleicht können wir ein paar Inspirationen mitnehmen. Oder ein paar Do’s und Dont’s erkennen. Und so lernen, das Personalmarketing schrittweise und konsequent auf die für unser Unternehmen strategisch bedeutsamen Bewerberzielgruppen auszurichten.