In einer zunehmend wettbewerbsorientierten Geschäftswelt sind die Effizienz und Qualität in Organisationen von entscheidender Bedeutung. Erfolgreiche Unternehmen benötigen die Fähigkeit, schnell auf Marktveränderungen und unerfüllte oder neuartige Bedürfnisse zu reagieren, um sich dauerhaft am Markt zu etablieren. Six Sigma hat sich als eine äußerst effektive Methode erwiesen, um Schwachstellen zu identifizieren, Prozesse zu optimieren und die Kundenzufriedenheit zu steigern.
Herkunft und Entwicklung von Six Sigma
Basierend auf Vorläufern aus der japanischen Industrie, wurde die Six Sigma Methode in den 1980er Jahren im amerikanischen Telekommunikations- und Elektronikkonzern „Motorola“ entwickelt. Diese fassten ihre Standards bei der Problemlösung und Prozessverbesserung zu einer universellen Vorgehensweise zusammen. Sie kann überall dort angewendet werden, wo ein Prozess, ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht das gewünschte Ergebnis erreichen. Unternehmen in aller Welt entwickelten die Methodik systematisch weiter und passten sie an die eigenen Bedürfnisse an. Heute hilft Six Sigma zahlreichen großen, aber zunehmend auch kleinen und mittelständischen Organisationen im industriellen Sektor und der Dienstleitungsbranche am Markt zu bestehen. Six Sigma ist dabei ein prägendes Element für jegliches datenbasiertes Analysieren, Planen, Entscheiden und Umsetzen innerhalb von Geschäftsprozessen.
Wie funktioniert Six Sigma?
Der Begriff „Six Sigma“ drückt die zentrale Idee der Methode aus. Die Streuung von Prozessen ist zu reduzieren, um absolute Fehlerfreiheit eines Produktes zu erreichen. Der griechische Buchstabe „sigma“ steht dabei für die Prozessstreuung, also den Teil, der nicht vorhersagbar ist. Die Bezeichnung „six“ steht dafür, wie gut ein Unternehmensprozess die Wünsche der Leistungsempfänger:innen erfüllt. Ein Wert von 6 ist Weltklasse und entspricht 3,4 Fehlern auf 1 Million Fehlermöglichkeiten – auf dem Weg zu „Null-Fehler“-Ergebnissen ist damit das Ziel in greifbare Nähe gerückt. Doch was macht die Methode so erfolgreich?
Phasen der DMAIC-Methode
Es sind im Wesentlichen vier Bausteine, die den entscheidenden Unterschied ausmachen: Eine strukturierte Vorgehensweise, Prozessorientierung, Kund:innenfokus und der Einsatz von Analysemethoden, die die Wirkkette nachweisen.
1. Strukturierte Vorgehensweise
Jedes Six Sigma-Projekt wird in einer festen Struktur mit fünf Projektphasen abgearbeitet. Diese fünf Phasen, nach deren Anfangsbuchstaben die Methode bisweilen auch als „DMAIC“ bezeichnet wird, sind:
- Define: Das Problem und der zugehörige Prozess werden (aus Kund:innensicht) beschrieben.
- Measure: Daten zum Problem und zu in Frage kommenden Einflussgrößen werden erhoben.
- Analyze: Zusammenhänge zwischen der Problematik und Einflussgrößen werden anhand der erhobenen Daten nachgewiesen.
- Improve: Eine Lösung wird gefunden und die Prozessverbesserung wird anhand von Daten belegt.
- Control: Die dauerhafte Wirksamkeit der Maßnahme wird durch Standardisierung und Prozesskontrolle sichergestellt.
Six Sigma ist dabei keine grundsätzlich neue Methode. Viele der verwendeten Analysetechniken wie z. B. die Pareto-Analyse sind bekannte und bewährte Verfahren. Es ist der strukturierte und systematische Einsatz dieser Werkzeuge, der rote Faden, der ihre Verwendung verbindet und damit einem Problem im Prozess auf die Spur kommt und es dauerhaft löst.
2. Prozessorientierung
Grundvoraussetzung bei Six Sigma ist, jedes Ereignis und jede Tätigkeit in einem Unternehmen als Teil eines Prozesses zu begreifen und bei der Problemlösung auch diese Perspektive in den Mittelpunkt zu stellen. So werden Fehler nie isoliert oder personenzentriert betrachtet, sondern immer in den Zusammenhang des Prozesses gestellt, in dem sie auftreten.
3. Kund:innenfokus
Ausgangspunkt eines jeden Six Sigma-Projekts ist die Frage, was der:die Kund:in des betrachteten Prozesses (gemeint sind sowohl Endkund:innen als auch interne Kund:innen im Unternehmen) als Ergebnis erwarten. Diese Erwartung in ein messbares Ziel zu überführen und den Prozess so zu verbessern, dass er die Erwartung maximal erfüllt, steht im Fokus der Methode.
4. Nachweis der Wirkkette
Der Messung und Analyse von Prozessdaten kommen bei Six Sigma eine besondere Bedeutung zu. „Kein Problem ist nachhaltig gelöst, wenn der Zusammenhang aus Ursache und Wirkung nicht vollständig verstanden wurde.“ lautet ein Grundsatz. Das läuft bei näherer Betrachtung vielen alltäglichen Herangehensweisen zur Problemlösung wie „Versuch und Irrtum“ zuwider – und macht den großen Erfolg und die Nachhaltigkeit der Verbesserungen bei Six Sigma aus. Der Umgang mit Daten, beginnend mit der richtigen Datenerhebung und Messung von Prozessen und schließlich die zielführende Analyse der Daten sind ein zentraler Gegenstand jeder Six Sigma-Ausbildung. Ein:e Six Sigma-Anwender:in fragt, bevor er:sie Lösungsvorschläge erarbeitet, immer erst einmal nach verlässlichen Daten – und weiß sie so zu nutzen, dass die Lösungen funktionieren. Selbstverständlich ist mit dieser Konzentration auf Daten nicht gemeint, dass die Methode nur bei technischen oder Produktionsprozessen greift.
Breite Anwendungsgebiete
Six Sigma ist eine vielseitige Methode, die in verschiedenen Branchen Anwendung findet. In der Produktion und Fertigung wird sie genutzt, um Produktqualität zu verbessern und Prozessineffizienzen zu reduzieren. Auch im Dienstleistungssektor hilft Six Sigma, die Qualität von Services zu steigern und Kundenzufriedenheit zu verbessern. In der Logistik und Lieferkette unterstützt sie bei der Optimierung von Prozessen und der Identifizierung von Engpässen. Sowohl im Gesundheitswesen als auch im Finanzsektor kann Six Sigma genutzt werden, um Prozesse zu optimieren und Fehler zu reduzieren. Die Methode ist nicht auf bestimmte Branchen begrenzt und bietet eine strukturierte Herangehensweise zur Identifizierung von Schwachstellen und zur Implementierung nachhaltiger Verbesserungen in verschiedenen organisatorischen Bereichen und Funktionen.
Erfolgsfaktoren und Vorteile von Six Sigma
Im Fokus steht die datenbasierte Entscheidungsfindung: Six Sigma basiert auf einer datenbasierten Herangehensweise. Die Nutzung von statistischen Werkzeugen und Methoden zur Analyse von Daten ermöglicht eine fundierte Entscheidungsfindung und die Identifizierung von Ursachen für Variationen und Fehler.
Der Erfolg von Six Sigma hängt maßgeblich von der Führungsebene ab. Es ist wichtig, dass das Top-Management das Engagement für Six Sigma zeigt, die Ressourcen bereitstellt und eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung fördert.
Ausblick auf zukünftige Entwicklungen und Trends
Eine fundierte Schulung der Mitarbeiter:innen in den Grundlagen von Six Sigma und statistischen Methoden ist entscheidend. Durch eine Zertifizierung wird sichergestellt, dass sie über das erforderliche Wissen und die Fähigkeiten verfügen, um Six Sigma erfolgreich anzuwenden.
Six Sigma fördert eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung und des datenbasierten Denkens in der gesamten Organisation. Es schafft Bewusstsein für Prozessqualität und ermutigt die Mitarbeiter:innen zur aktiven Beteiligung an der Verbesserung ihrer Arbeitsabläufe. Es entsteht eine Fehlerkultur, in der Fehler als Lernchance betrachtet werden und die Mitarbeiter:innen dazu ermutigt werden, innovative Lösungen zu finden.
Prof. Dr. Rüdiger Przybilla, Trainer der Haufe Akademie, im Interview über Vorteile und Nutzen von Six Sigma:
Einsatz von Six Sigma im Unternehmen
Six Sigma ist keine Verbesserungsmethode, bei der externe Berater in Unternehmen Projekte durchführen. Vielmehr werden eigene Mitarbeiter zu Six Sigma-Anwendern ausgebildet: je nach Intensität und Anspruch der Ausbildung und der Rolle in der Organisation zu „Green Belts“ oder zu „Black Belts“.
Dadurch bleibt das enorme Prozesswissen, welches durch die Anwendung von Six Sigma aufgebaut wird, im Unternehmen erhalten. Zahlreiche Unternehmen berichten von einem regelrechten Kulturwandel, da auch außerhalb der durchgeführten DMAIC-Projekte ein anderer Umgang mit Fehlern und Verbesserungen Einzug hält: Anstatt rasch auf der Grundlage von Bauchgefühl und Erfahrungswissen Lösungen zu implementieren wird vor Entscheidungen nach Daten gefragt und auf Basis von Messungen und Fakten geurteilt. Vielleicht ist gerade das der wichtigste Grund für den überragenden Erfolg der Methode: Es werden nicht nur einzelne Prozesse isoliert verbessert, sondern der Umgang einer ganzen Organisation mit ihren Prozessen, Ergebnissen und Kunden.
Kein Wunder also, dass sich Six Sigma in den vergangenen Jahren zu einer der wichtigsten Managementmethoden entwickelt hat: Es versachlicht Diskussionen in allen Bereichen eines Unternehmens und bietet die Hilfsmittel, dem Unternehmenserfolg dienliche Entscheidungen fundiert zu treffen – kurz: es gehört zu einer modernen, prozessorientierten Unternehmensführung einfach dazu.