Stakeholder managen und Teams führen

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Teil 2 aus der Praxis-Serie „Hinter den agilen Kulissen“ – Ein- und Ausblicke für die agilen Profis von heute und morgen. In der 5-teiligen Blog-Artikel-Reihe geht es um zentrale Werkzeuge und Denkmodelle agiler Arbeit.

Soziale Systeme sind komplex

Im Dschungel der Organisationen und Unternehmensberatungen trifft man nicht selten auf den (Irr-)Glauben, dass man mit Frameworks und Methoden Unternehmen heilen könne. Doch soziale Systeme wie Konzerne, Unternehmen, Abteilungen und Teams sind komplex. Man kann alles Mögliche und Unmögliche auf sie anwenden, aber man kann nicht sagen, was das exakte Ergebnis ist. Soziale Systeme, so könnte man sagen, sind Wundertüten.

Die kleinste Einheit der sozialen Wundertüte ist der Mensch. Der Kybernetiker Heinz von Foerster hat das mal sehr treffend in der Unterscheidung zwischen trivialer und nicht – trivialer Maschine beschrieben: Während man an die Lautstärke eines Automaten durch Regler und Knöpfe zuverlässig steuern könne, „gibt es zum Glück keinen Knopf, mit dem man die Lautstärke spielender Kinder auf einen angenehmen Mittelwert oder sogar ihr Verhalten auf ‚ruhig auf dem Stuhl sitzen und Hausaufgaben machen‘ einstellen kann.“

People Management – ein Oxymoron?

Man kann nun streiten, ob es neben den im Scrum-Handbuch stehenden Praktiken agiler Zusammenarbeit überhaupt so etwas wie ein „Agile Mindset“ oder gar „Agile als Purpose“ geben kann. Allein die Tatsache, dass es von Seiten vieler unvorbereitet ins kalte agile Wasser Geworfener ein Bedürfnis nach gemeinsamen „agilen Werten“ gibt, ist ein deutliches Indiz dafür, dass es oft nicht beim Verstehen und Aufsetzen von agilen Frameworks hapert. Man ahnt es schon, es ist wie so oft. Es menschelt.

Wenn wir aber auf von Foerster hören, dann ist „People Management“ oder „Stakeholder Controlling“ ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich. Was aber bedeutet das für die Praxis von Teamwork, für Leadership in agilen und klassischen Teams? Hat man am Ende keinen Zugriff, keinen Einfluss auf das Handeln der Menschen? Zur Beruhigung der Irritierten sei hier schon vorweggenommen: In dieser Allgemeinheit kann man das nicht sagen. Die entscheidende Differenzierung liegt in der Art der Beeinflussung. Man kann ein nicht-triviales, komplexes System natürlich beeinflussen. Aber weder kann man das Ergebnis zu 100 Prozent vorhersagen, noch kann man es direkt beeinflussen.

Die Rolle des Product Owners in der agilen Zusammenarbeit

Menschen direkt zu steuern ist und bleibt schwierig bis unmöglich. Zu verschieden sind die Typen und Charaktere. Und in Köpfe kann man trotz aller Fortschritte in der Neuropsychologie im Führungsalltag nicht hineinschauen. Zum Glück, würde nicht nur Heinz von Foerster sagen.

Durch geschickte Veränderungen an den Strukturen, kann man aber darauf hinwirken, dass sich das Verhalten der Mitarbeitenden auf das gemeinsame Ziel hin verändert. Die Rolle des Product Owners ist es also, die optimalen Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die agile Zusammenarbeit geschehen kann. Mit Blick auf die spezifischen Stakeholder heißt das unter anderem:

  • Für das agile Team selbst laufend alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die es an der Wertschöpfung hindern.
  • In enger Abstimmung mit dem Scrum Master alles dafür zu tun, dass die Arbeit nach agilen Prinzipien „flutscht“.
  • Sich selbst im Dialog mit den Kund:innen in deren Situation zu versetzen und bis ins Detail dessen Bedürfnisprofil zu verstehen und ins Team zu transportieren.
  • Auch das Produktmanagement von Anfang an in den Entwicklungsprozess einzubinden, Zwischenergebnisse zu spiegeln und selbst die Portfolio-Perspektive einzunehmen.
  • In Abstimmung mit der Geschäftsführung und mit dem Blick durch die Strategie-Brille für einen störungsfreien Projektverlauf zu sorgen. Das kann gegebenenfalls auch einen formalen oder informellen Schutzraum für besonders innovative Produkte und Prozesse beinhalten.

Wichtige Werkzeuge für den Product Owner sind die Stakeholder Map, die Orientierung am Business Value und ganz generell eine aktive Vernetzungsarbeit innerhalb des Unternehmens. Denn was heute noch ein oberflächlicher Kontakt in der Betriebs-Kantine war, kann morgen ein unverzichtbarer Verbündeter beim Stakeholder Management sein.

Stakeholdermanagement und Beziehungspflege

Networking steht für eine Vielzahl von langfristigen Strategien, mit denen man ein für erfolgreiche Führungskräfte unverzichtbares Beziehungsgeflecht knüpft.

Wie das im Einzelnen funktioniert, wäre ein Thema für einen weiteren Blog-Artikel. Hier nur eine kleine Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen mit Bezug auf die oben genannten Stakeholder-Gruppen:

  • Geben Sie Ihren Team-Mitgliedern Verantwortung, fordern und fördern Sie sie, investieren Sie Zeit in persönliche Gespräche jenseits der Routine. Und bieten Sie Talenten die Möglichkeit, sich auszuprobieren und an komplexen Problemen zu üben.
  • Zeigen Sie Interesse an anderen Rollen und lernen Sie von guten Entwickler:innen, Scrum Mastern und Produktmanager:innen. Fragen Sie mehr als zu dozieren. Verstehen und zeigen Sie öffentlich, dass Spezialist:innen Ihnen auf dem jeweiligen Spezialgebiet überlegen sind. So schaffen Sie Vertrauen und Verständnis für Ihre Rolle als Product Owner.
  • Fördern Sie das Bewusstsein aller für das gemeinsame Projekt und Ziel, indem Sie Methoden der Partizipation und Konsultation erklären, anwenden und auf die spezifischen Eigenschaften Ihres Teams anpassen.
  • Lernen Sie gemeinsam: Starten Sie Peer Learning Circles oder nehmen Sie gemeinsam an Fortbildungen teil. Und zwar nicht immer nur in Ihrem Spezialgebiet, sondern bewusst auch punktuell in den benachbarten Disziplinen. Das Entwickeln zum T-Shape Professional erweitert Ihr persönliches Netzwerk über Ihren Kompetenzkreis hinaus.

Ein Product Owner, das wird beim Lesen dieser Zeilen klar, ist ein Generalist mit einem großen Spektrum von Future Skills: Von einem glasklaren Verständnis agiler Methodik bis hin zum EQ, dem „Emotional Quotient“ – es ist diese Bandbreite der Fähigkeiten und Interessen, die gelungene Führung in agilen Teams wahrscheinlicher macht.

Hier lesen Sie Teil 3 aus der Praxis-Serie „Hinter den agilen Kulissen“
Businessstrategien für Product Owner

Hier lesen Sie Teil 4 aus der Praxis-Serie „Hinter den agilen Kulissen“
Kundenfokussierte Product Owner: Data-und UX-Profis

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Online-Redaktion

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