Jedes Arbeitszeugnis muss wohlwollend und wahr formuliert sein. So gibt es der Gesetzgeber vor. In der Praxis bedeutet das, dass die im Arbeitszeugnis verwendeten Sätze und Ausdrücke häufig erst entschlüsselt werden müssen, um zu erfahren, wie gut der Mitarbeitende wirklich war. Wir zeigen Ihnen, welche Bedeutung hinter den gängigen Formulierungen im Arbeitszeugnis steckt.
Was wird wie, an welcher Stelle oder gar nicht gesagt?
Jedes Zeugnis soll wohlwollend formuliert werden und gleichzeitig der Wahrheit entsprechen. Für Arbeitgeber bedeutet das, dass sie Kritik an ihren Beschäftigten nur äußern dürfen, ohne dabei negative Formulierungen zu verwenden. Das Ergebnis ist eine Art Code, der sich durch Arbeitszeugnisse durchzieht. Es kommt darauf an, in welcher Reihenfolge Bewertungen aufgeschrieben oder welche Adverbien verwendet werden. Wir geben Ihnen hier einen Überblick:
- Schlechte Bewertungen werden positiv formuliert: Die sogenannte „Positiv-Skala-Technik“ hilft Vorgesetzten dabei, negative Aspekte der Zusammenarbeit positiv auszudrücken. Ein wichtiges Mittel dabei sind Adverbien. Sie können die Bedeutung eines Verbs deutlich verändern. Es macht einen großen Unterschied, ob Adverbien wie „stets“ oder „jederzeit“ verwendet werden. Fehlen diese Adverbien, verändert sich die Bewertung, obwohl der Satz weiterhin positiv formuliert ist. Steht im Arbeitszeugnis lediglich, „Herr Müller hat auf Rückfragen geantwortet“, entspricht das einer mittleren oder schlechten Leistung. Dagegen drückt „Herr Müller hat jederzeit auf Rückfragen geantwortet“ aus, dass der Arbeitgeber mit dem Engagement und der Motivation sehr zufrieden war. Auf diese Weise können Personalverantwortliche allein aus der Verwendung von Adverbien herauslesen, wie es um den oder die Bewerber:in bestellt ist.
- Es werden Leerstellen gelassen: Wenn bestimmte Bestandteile des Zeugnisses weggelassen werden, kann das viel bedeuten. Ein Beispiel: Findet sich in der Stellenbeschreibung, dass der Job viel Kundenkontakt erfordert, aber später taucht im Zeugnis keine Bewertung des Sozialverhaltens auf, kann das auf ein mögliches Fehlverhalten hindeuten.
- Die Reihenfolge der in der Bewertung einzelner Arbeitsbereiche wird verändert: Indem unwichtige Aspekte vor wichtigen genannt werden, findet bereits eine Beurteilung statt. So werden die aufgeführten Aufgaben meist in absteigender Wichtigkeit aufgeführt. Verändert sich diese Reihenfolge in der Leistungsbeschreibung, können Personalverantwortliche aus dem Arbeitszeugnis herauslesen, welche Arbeiten ein:e Bewerber:in motivierter oder weniger motiviert bzw. gar nicht erledigt hat.
- Es werden Andeutungen gemacht, aber nicht konkretisiert: Wenn jemand „im Rahmen seiner Fähigkeiten“ gearbeitet hat, wäre das eine solche Andeutung. Konkret bedeutet das, dass die Fähigkeiten stark eingeschränkt waren.
- Es gibt viele Passiv-Konstruktionen: Wird im Arbeitszeugnis vieles im Passiv formuliert, kann das auf fehlende Eigeninitiative des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin hindeuten.
- Alle Aussagen werden nur knapp formuliert: Sind die Aussagen zum Arbeitsverhalten oder zum Sozialverhalten nur sehr knapp, kann das auf mögliche Mängel verweisen. Abwertend können aber auch zu üppige Formulierungen wirken, und zwar an den Stellen, wo es eigentlich nicht viel zu sagen gibt.
- Es werden allgemeine Formulierungen verwendet: Die Qualität eines Arbeitszeugnisses besteht darin, dass es so individuell wie möglich formuliert wird. Je mehr Allgemeinplätze verwendet werden, desto schlechter fällt das Zeugnis aus.
Diese wenigen Beispiele zeigen, dass es für Laien gar nicht so einfach ist, die tatsächliche „Note“ aus einem Arbeitszeugnis herauszulesen.
Ein Hinweis auf die Gesamtbeurteilung findet sich vor allem in der Leistungsbeurteilung.
Das bedeuten Formulierungen in der Leistungsbeurteilung in Schulnoten
In der Formulierung von Leistung spielt es eine wichtige Rolle, ob der Superlativ verwendet wird. Kommen Superlative zum Einsatz, deutet das auf ein „Sehr gut“ hin. Werden Adverbien ganz weggelassen, bedeutet dies ausreichend und schlechter.
Entspricht der Schulnote | Formulierung im Arbeitszeugnis |
Sehr gut | Herr/Frau Mustermann hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben/Arbeiten stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt. |
Gut | Herr/Frau Mustermann hat die ihm/ihr übertragenen Aufgabe/Arbeiten stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. |
Befriedigend | Herr/Frau Mustermann hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. |
Ausreichend | Herr/Frau Mustermann hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit erledigt. |
Mangelhaft | Herr/Frau Mustermann hat die ihm/ihr übertragenen Arbeiten weitestgehend zu unserer Zufriedenheit erledigt. |
Ungenügend | Herr/Frau Mustermann hat sich bemüht, die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit auszuführen. |
Verklausulierung von negativen Eigenschaften im Arbeitszeugnis
Neben der Übersetzung in Schulnoten können einzelne Formulierungen auch konkrete Sachverhalte umschreiben. Hier einige Beispiele:
- Leistung
Text im Arbeitszeugnis | Bedeutung |
Herr Müller zeigte Verständnis für seine Arbeit. | Herr Müller hat nichts geleistet |
Frau Müller hat sich im Rahmen ihrer Fähigkeiten eingesetzt. | Sie hat zwar getan, was sie konnte. Das reichte aber nicht aus. |
- Verhalten
Text im Arbeitszeugnis | Bedeutung |
Sie war immer sehr gesellig und trug so zur Verbesserung des Betriebsklimas bei. | Auf Firmenfeiern neigte die Person zu hohem Alkoholkonsum. |
Mit Führungskräften kam er sehr gut zurecht. | Er ist ein Mitläufer und passt sich an Meinungen an. |
- Verabschiedung
Text im Arbeitszeugnis | Bedeutung |
Wir bedanken uns für die Zusammenarbeit. | Wir sind froh, dass diese Person das Unternehmen verlassen hat. |
Wir wünschen für die Zukunft alles Gute, auch Erfolg. | Er oder sie hat im Unternehmen nichts erreicht. |
Formulierungen im Arbeitszeugnis, die den Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses umschreiben
Formulierung im Arbeitszeugnis | Bedeutung |
Herr Braun verlässt das Unternehmen auf eigenen Wunsch. | Der Arbeitnehmer hat gekündigt. |
Frau Braun verlässt das Unternehmen im gegenseitigen Einvernehmen. | Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde eine Einigung erzielt bzw. ein Aufhebungsvertrag geschlossen, sonst wäre Frau Braun gekündigt worden. |
Wir mussten uns am 15.05.2024 von Herrn Müller trennen. | Herrn Müller wurde fristlos gekündigt. |
Fazit: Auf die Zwischentöne achten
Für Mitarbeitende kann es manchmal schwer sein, die wahre Bedeutung von Formulierungen im Arbeitszeugnis zu entschlüsseln. Wer jedoch die unterschiedlichen Möglichkeiten für das Formulieren von Bewertungen kennt, kann leichter herausfinden, wie es um die eigene Leistungsbeurteilung bestellt ist. Sind Sie sich unsicher beim Dekodieren Ihres Arbeitszeugnisses, können Sie in der Personalabteilung nachfragen, was einzelne Passagen bedeuten.