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Internet der Dinge – was bedeutet das für den Vertrieb?

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Internet der Dinge – dramatischer Wandel für den Vertrieb

Die vierte industrielle Revolution ist unausweichlich. Durch das Internet der Dinge (IoT) lassen sich Wertschöpfungsschritte und Produktionszeiten verkürzen, Innovationszyklen beschleunigen und Lieferketten synchronisieren. Auch für den Vertrieb bringt das IoT massive Veränderungen. Überflüssig wird der Vertrieb aber nicht.

Spätestens seitdem das Thema auf der Cebit 2015 zum Schlüsselthema auserkoren wurde, ist das Internet der Dinge in aller Munde. Aus gutem Grund. Schließlich erfasst die digitale Transformation sämtliche Branchen. Ein riesiger Markt für IT-Lösungen entsteht.

Und der Strukturwandel in Europas Industrie ist radikal. Dabei sollen digitale Systeme Unternehmen helfen, gewaltige Datenmengen zu Produktionsprozessen, Lieferanten und Kundschaft zu erheben, zu verarbeiten und auszuwerten. Mithilfe künstlicher Intelligenz können die Produktionsprozesse einen völlig neuen Grad der Automatisierung erreichen. Durch die Vernetzung von Wertschöpfungsschritten lassen sich Produktionszeiten verkürzen, Innovationszyklen beschleunigen und Lieferketten synchronisieren. Das „Internet of Things” (IoT) bringt dabei eine Vielzahl neuartiger Produkte und Dienste hervor.

Gigantisches Wertschöpfungspotenzial

Um die Digitalisierung nicht allein den USA und Asien zu überlassen, treiben europäische Wirtschaftsverbände und Politiker die „vierte industrielle Revolution” in großen Schritten voran. Einer aktuellen Studie von Roland Berger und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zufolge winkt Europas Industrie ein gigantisches zusätzliches Wertschöpfungspotenzial von über 1.250 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025. Allein Deutschland könnte mit 425 Milliarden Euro von der digitalen Transformation profitieren. Gelinge dies nicht, könne Europas Wirtschaft allerdings auch bis zu 605 Milliarden Euro einbüßen.

Auch in Smart Services sehen Analysten einen stark expandierenden Markt. Die Unternehmensberatung Gartner erwartet für das Jahr 2020 bis zu 212 Milliarden vernetzte Geräte als intelligente Schnittstellen zwischen digitaler und physischer Welt in allen Gesellschaftsbereichen. Cisco schätzt das weltweite Potenzial des „Internet of Everything” auf über 14.000 Milliarden US-Dollar.

Eine gewaltige Summe. Ebenso gewaltig wie die künftigen Datenströme: Die Vernetzung von Alltagsobjekten mit dem Internet und untereinander im Rahmen der M2M-Kommunikation (Machine-to-Machine) wird kaum vorstellbare Datenmengen erzeugen und Informationen über Position, Zustand und Interaktion von Objekten liefern. Wirkliche Intelligenz entsteht aber nicht durch das technische Tagging der Objekte durch Mikrochips und Kommunikationsprotokolle, sondern dadurch, dass die Daten korrekt verstanden und interpretiert werden.

Mehr Gewicht auf strategische Entscheidungen

Zukünftig lassen sich vermehrt Nutzungsdaten analysieren, die von verschiedensten Produkten an Hersteller und/oder Servicepartner in Echtzeit übermittelt werden können. Neben der hierbei im Vordergrund stehenden Analyse von Defekten (Stichwort: Produkthaftung) und einer möglichen kostengünstigen Online-Wartung ermöglicht die Vernetzung auch die Erstellung und Verfeinerung von Kunden- und Nutzungsprofilen, die vor allem im Vertrieb von großem Nutzen sind. Doch welche weiteren Auswirkungen hat dies für die Verkaufsmannschaften? „Die neuen technischen Möglichkeiten unterstreichen die Notwendigkeit, im Vertrieb künftig strategische Entscheidungen stärker zu gewichten”, sagt Dr. Lars Binckebanck, Professor für International Marketing an der Hochschule Furtwangen. Denn die Daten könnten im Rahmen des Vertriebskanalmanagements beliebig übermittelt werden, also nicht unbedingt nur an den Hersteller, sondern auch an Service- oder Handelspartner.

„Strategisch entscheidend ist die Fähigkeit, das herkömmliche CRM durch neue Wege in der Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen und unter ganzheitlicher Begleitung entlang der Customer Journey weiterzuentwickeln”, sagt Experte Binckebanck. Wie bisher könnten Hersteller dies direkt angehen oder sich Partner im Vertriebskanal suchen, die mit komplementären Kompetenzen zusätzlichen Mehrwert schaffen. „Service- und Handelspartner ohne einen solchen Mehrwert werden ihre Daseinsberechtigung verlieren. Vertriebsstrategie und Kundenkompetenz schlagen Aktionismus und Technikhype”, resümiert Binckebanck.

Und Verkaufstrainer Andreas Buhr, Inhaber von Buhr & Team Akademie für Führung und Vertrieb in Düsseldorf, ergänzt: „Geschäfte werden mit Menschen für Menschen gemacht. Ganz egal, ob Maschinen hier eine zunehmend wichtigere Rolle übernehmen”. Der Verkauf werde durch wachsende Fachkompetenz, durch gute Fragen und die Hilfe bei Entscheidungen überleben. „Klassischer Produktverkauf ist am Ende, weil die Kundin oder der Kunde heutzutage der neue Experte ist”.

Richtig ist jedoch auch, dass sich die Gewichte, die Bedeutung der einzelnen Produktionsprozesse verändern. „Wer glaubt, mit alten Tugenden und einer Technik von gestern, morgen vorn dabei zu sein, ist draußen”, so Buhr

Und wenn die Technik der Industrie 4.0 es perspektivisch möglich macht, exakt auf die Bedürfnisse der Kundschaft Einzelstücke herzustellen, welche dann auch eng mit der unternehmenseigenen IT und der Cloud verknüpft sind und so einen Anbieterwechsel für Kundinnen und Kunden damit quasi unmöglich machen, zeigt dies doch auch, dass neue technologische Möglichkeiten nicht notwendigerweise an den wirtschaftlichen Grundprinzipien rütteln. Denn immer schon haben Anbieter von tendenziell austauschbaren Produkten versucht, ihr Angebot zu einem System auszubauen und durch Wechselbarrieren Kundinnen und Kunden an sich zu binden. Die Erfahrungen zeigen, dass der Erfolg von der Systemarchitektur abhängt. „Es ist wichtig, ob Anbieter in proprietären Systemen versuchen, die Gebundenheit ihrer Kundschaft durch technischen Lock-in zu erhöhen oder ob sie auf offene Systeme und damit eher auf Verbundenheit ihrer Kundinnen und Kunden setzen – in letzterem Fall bleibt der Vertrieb das wirkungsvollste Instrument”, sagt Binckebanck.

Doch wenn Maschinen sich künftig selbst diagnostizieren und die Therapie auch gleich einleiten, was wird dann aus dem After-Sales? Es dürften sich zwei wesentliche Kompetenzfelder herausbilden: Einerseits muss der Bereich After-Sales die Big-Data-Logik beherrschen und den gewaltigen Datenströmen mit den entsprechenden Werkzeugen Sinn und Verstand verleihen – hierbei muss neben die Produktkompetenz fundiertes IT-Wissen treten. Andererseits gilt es, die so entstandenen Erkenntnisse über die Nutzung bei der Kundschaft in entsprechende Beratungsprozesse mit Mehrwert zu übersetzen. Wie kann die Kundin oder der Kunde das Beste aus einem Produkt herausholen, also ungenutzte Potenziale nutzen und überflüssige Kosten reduzieren? Entlang der Customer Journey könnte auf diese Weise überlegener Kundennutzen entstehen, der sich über Weiterempfehlungen und Wiederkäufe auch im akquisitorischen Außendienst positiv niederschlägt. „Das Internet der Dinge macht den After-Sales dann nicht überflüssig, er wertet ihn deutlich auf”, so das Fazit des Vertriebsexperten Binckebanck.

After Sales mit Fokus auf Betreuung der Kundinnen und Kunden

Ein weiterer Experte in diesem Bereich ist Dr. Nikolas Beutin, Partner bei PriceWaterhouseCooper (PwC) in München. Der Leiter Customer Practice sieht das ähnlich: „Der After-Sales-Vertrieb wird sich immer mehr auf langfristige Betreuung und Serviceverträge fokussieren müssen. Zudem wird es wahrscheinlich immer mehr spezialisierte Dienstleister geben, die als Sub-Unternehmer in unternehmenseigene Servicestrategien und -prozesse eingebunden werden müssen”. Eine Differenzierung werde bei der After-Sales-Leistung immer mehr in Bezug auf Schnelligkeit und Reparaturqualität stattfinden. „Zudem wird es immer mehr Service-/Dienstleistungsverträge geben, wodurch sich die Natur des Service-Geschäftes deutlich verändern wird“.

Und was bedeutet das IoT für Servicepartner und den indirekten Vertrieb? „Für den Vertrieb bedeutet das, dass der:die Verkäufer:in im richtigen Moment, bei den richtigen Kundinnen und Kunden, mit dem richtigen Angebot – richtig vorbereitet agieren kann”, meint Verkaufstrainer Dirk Kreuter aus Bochum. Bisher gebe es in diesem Bereich immer wieder hohe Streuverluste, sodass Verkäufer:innen ihre Zeit und Ressourcen nicht richtig einsetzen können. Und das bedeutet auch, dass möglicherweise weniger Vertriebler:innen benötigt werden ­- bei gleichem Ergebnis. Doch es wäre zu früh, vom Tod der Servicepartner oder des indirekten Vertriebs zu sprechen. „Nicht jeder Hersteller möchte den Service und den Direktvertrieb selbst übernehmen”, weiß Vertriebsexperte Kreuter aus Erfahrung. Viele Hersteller dürften dazu übergehen, ihren Vertriebs- und Servicepartnern die gewonnenen Daten zur Verfügung zu stellen, sodass diese entsprechend agieren können. „Der Hersteller kann sich auf seine Kernkompetenz konzentrieren. Gleichzeitig hat kann er seine A-, B- und C-Partner besser selektieren und die wichtigsten Partner mit besseren Daten versorgen“, sagt Kreuter.

Und dann wäre da ja noch das Buzzword Big Data. Entscheidend wird sein, die Erkenntnisse effektiv im Wettbewerb um die besten Geschäftsbeziehungen einzusetzen: Total Customer Experience Management ist aus Vertriebssicht das ergiebigere Konzept. Hierfür brauchen Entscheider:innen wenige, aber dafür aussagekräftige und über interaktive Dashboards visualisierte Erkenntnisse, mit denen kundenbezogene Aktivitäten und Budgets in Marketing, Vertrieb und Service integriert und in Echtzeit geplant und effizient umgesetzt werden können. Total Customer Experience Management könnte so ein Ende der Grabenkämpfe innerhalb von Unternehmen bedeuten und die ganzheitliche Ausrichtung aller Unternehmensprozesse auf den Kundennutzen forcieren. Diese Forderung ist übrigens ein alter Hut, aber vielleicht klappt es jetzt.

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Über den:die Autor:in

Klaus Dietzel

ist Redakteur und Chef vom Dienst der Fachzeitschrift acquisa.

 

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