Lead-Management im Vertrieb

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Entscheidend für die Effizienz und Erfolgsquote des Vertriebs im Bereich der Neukundinnen und Neukunden sind die Qualität und der Reifegrad der Interessenten (Leads). Im Folgenden erfahren Sie, wie Sie mit einem ausgefeilten Lead-Scoring Modell Ihren Vertrieb mit vertriebsreifen Interessenten unterstützen.

  1. Mehr Leads zum Abschluss entwickeln
  2. Interessenten bewerten mit Lead-Scoring
  3. Modernes Lead-Management

Wie sich der Vertrieb mit den erfolgversprechendsten Interessenten beschäftigt und mehr Leads zum Abschluss entwickelt

Analysten und Marktforschungsunternehmen gehen davon aus, dass heute 84 % aller B2B Geschäfte im Internet generiert oder dadurch beeinflusst werden. Die Studie „Digitale Evolution im B2B Marketing” belegt, dass ca. 60 % des Kaufprozesses absolviert sind, bevor der:die Interessent:in Kontakt zum Vertrieb eines Anbieters aufnimmt.

Das Marketing reagiert mit modernem Lead-Management und Marketing-Automation auf diese Veränderungen. Marketing beschäftigt sich mit der Definition von Wunschkundinnen und Wunschkunden (Buyer-Persona), erstellt relevante Inhalte und spielt sie an den passenden Touchpoints aus. So werden mehr qualifizierte Leads an den Vertrieb übergeben.

Wie beeinflusst diese Arbeitsweise den Vertrieb?

Bekommt der Vertrieb einfach nur mehr und bessere Leads und profitiert durch einfachere Zielerreichung und mehr Provision? Ganz so einfach ist es nicht. Auch der Vertrieb muss sich auf Veränderungen einstellen. Dort landen nicht nur mehr und bessere Leads. Es sind auch „andere” Leads!

Wenn die Interessenten an den Vertrieb übergeben werden, haben sie eine ausgiebige Historie im Unternehmen. Es wäre nicht zielführend, diese Historie zu ignorieren. Aber was genau ist „anders” bei diesen Leads?

Definition von Wunschkundinnen und Wunschkunden mit dem Buyer-Persona Konzept

„Welche Interessenten hätten Sie gerne? Wer sind Ihre Wunschkundinnen und Wunschkunden bzw. idealen Interessenten?” Fragen, die für die Generierung von neuen Kundinnen und Kunden, aber auch das erfolgreiche Cross- und UpSelling unbedingt detailliert beantwortet werden sollten. Durch diese Profilierung von Wunschkundinnen und Wunschkunden mittels des Buyer-Persona Konzepts sammelt das Marketing viele wertvolle Informationen über die potenziellen Kundinnen und Kunden. Sie helfen sowohl dem Marketing als auch dem Vertrieb, die „richtigen” Leads zu generieren und diese effizient bis zur Vertriebsreife zu entwickeln.

Inhalte & Mehrwerte/Content-Marketing

Basierend auf den Buyer-Persona Profilen hat das Marketing relevante und hilfreiche Inhalte und Mehrwerte erstellt und an den entsprechenden Touchpoints ausgespielt. Die Interessenten sind also gut informiert, wenn der Kontakt zum Vertrieb zustande kommt. Daher sollte der Vertrieb beim Erstkontakt diese Historie nutzen und entsprechend agieren. Es ist davon auszugehen, dass der:die Interessent:in nicht nur Ihre Inhalte gelesen hat, sicher wird er oder sie auch über Wettbewerber gut Bescheid wissen. Es lohnt sich also auch, die Informationen über Marktbegleiter zu analysieren.

Die Lead-Bearbeitung im Vertrieb

Wenn der Interessent vom Marketing an den Vertrieb übergeben wurde, ist die Aufgabe des Vertriebs die Qualifizierung der Interessenten, die Bedarfsanalyse und der Abschluss. Dazu muss der Vertrieb die neuen Leads in seinen Arbeitsprozess integrieren. Dies kann er z. B. mithilfe einer Prioritätenliste realisieren:

  • Priorität A: Angebote schreiben und abgegebene Angebote nachfassen
  • Priorität B: Neue Leads aus dem Marketing kontaktieren
  • Priorität C: Ältere Vertriebskontakte bzw. C-D Kontakte nachfassen

Für die Qualifizierung der Interessenten haben sich die B. A. N. T.-Kriterien bewährt:

B = Budget
Hat das Unternehmen das Budget bzw. darf der:die Ansprechpartner:in über das Budget entscheiden?
A = Authority
Sprechen wir mit der richtigen Person, dem Entscheider? Welche Rolle hat er oder sie im Buying-Center der potenziellen kaufenden Person?
N =Need
Hat der:die Interessent:in akutes Interesse und haben wir die richtige Lösung?
T = Time
Wann soll der Kauf bzw. die Bestellung realisiert werden?

Die Kommunikation zwischen Marketing und Vertrieb sollte während des gesamten Lead-Bearbeitungsprozesses nicht abreißen. Idealerweise spiegelt der Vertrieb das im Prozess erlangte Wissen an das Marketing zurück:

Allgemeines Wissen:

  • Erkenntnisse aus dem Interessenten-Kontakt · Bereitschaft für Kundinnen und Kunden stimme oder Anwenderbericht
  • Wird die kaufende Person Ihr Unternehmen weiter empfehlen?

Lead gewonnen:

  • Grund für den Abschluss
  • Argumente für Kaufentscheidung
  • Marktbegleiter in der Auswahl

Lead verloren:

  • Warum haben Sie den Interessenten verloren?
  • In welchem Stadium haben Sie den Interessenten verloren?
  • Hat die Kundin oder der Kunde überhaupt gekauft?

Wenn Ja: Gegen welchen Marktbegleiter haben Sie verloren?

Wenn Nein: Was hat sie oder ihn vom Kauf abgehalten?
– Welches der B.A.N.T.-Kriterien wurde nicht erfüllt?
– Besondere Gründe für Verlust

Digitalisierung im Vertrieb

Die Digitalisierung und das Internet haben den Kaufprozess von potenziellen Kundinnen und Kunden drastisch verändert. Diese Veränderungen stellen das Marketing und den Vertrieb vor große Herausforderungen, bieten aber auch viele Chancen. Marketing und Vertrieb können diese Chancen nutzen, um skalierbar mehr qualifizierte Interessenten zu generieren und die Abschlussquote und Zielerreichung zu optimieren.

Marketing und Vertrieb – Gemeinsam für bessere Leads

Welchen Einfluss hat die Digitalisierung und der veränderte Kaufprozess auf die Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb? Das alte Silodenken und die klassischen Grabenkämpfe zwischen den Abteilungen helfen Unternehmen nicht bei der Erreichung ihrer Umsatz- und Wachstumsziele. Das Marketing und der Vertrieb müssen den Leadprozess und die wichtigsten Parameter gemeinsam, übergreifend definieren. Das erfordert vielleicht etwas Change-Management, der Lohn der Mühe ist es aber wert.

Content-Marketing im Leadprozess

Ist Content-Marketing der neue, heiße Trend in der Vermarkung? Und wie setzen B2B-Unternehmen Content-Marketing erfolgreich in der Praxis um? Einfach nur „irgendwelche” Inhalte über das eigene Unternehmen, die Produkte oder aktuelle Angebote zu verbreiten, ist noch kein Content-Marketing. Wie B2B-Unternehmen die häufigsten Fehler vermeiden und das Potenzial für ihr Marketing und ihren Vertrieb nutzen können, erfahren Sie im Blogbeitrag „Content-Marketing im Leadprozess„.

Interessenten bewerten mit Lead-Scoring

Im Artikel „Der Grüne-Bananen-Effekt: Mit Lead-Nurturing zum Erfolg“ haben Sie erfahren, wie Sie Interessenten erfolgreich bis zur Vertriebsreife entwickeln. Um diesen Reifegrad im Lead Management Prozess zu messen und den Übergabezeitpunkt zu erfassen, sollten Sie Interessenten qualifizieren.

Die Qualifizierung im modernen Lead-Management-Prozess misst automatisiert, im welchem Stadium des Kaufprozesses der:die Interessent:in sich befindet und wie sich der Reifegrad darstellt.

Warum muss man Leads qualifizieren?

Nicht jede:r Interessent:in gleicht dem anderen. Grob kann man Leads in drei Kategorien einteilen:

„Hot Leads”

Es gibt Interessenten, die sich schon intensiv mit Ihrem Angebot beschäftigt haben und kurz vor einem Abschluss stehen.

„Nur mal umschauen… – Leads”

Andere Interessenten möchten sich erst einmal nur umschauen. Sie befinden sich noch am Anfang des Kaufprozesses und müssen noch bis zur Vertriebsreife entwickelt werden.

„Pseudo-Leads“

Und manche Lead sind gar keine Leads, sondern:

  • Wettbewerber
  • Studierende, die über Ihr Thema schreiben
  • Bewerbende

Diese Leads sollten aus dem Interessenten-Prozess herausgefiltert werden, da sich der Vertrieb nur um qualifizierte Interessenten kümmern sollte.

Wie qualifiziert man Leads?

Der Firmenname ist für viele Unternehmen das Hauptkriterium für die Lead-Qualifizierung. Aber ein Interessent ist nicht automatisch „schlecht”, nur weil er sich mit einer anonymen E-Mail Adresse meldet. Ein:e Interessent:in mit der E-Mail Adresse eines DAX-Unternehmens ist nicht automatisch ein guter Lead. Es könnte ein „Hot Lead”, aber eben auch ein „Nur-mal-umschauen… -Lead” sein. Die E-Mail Adresse oder der Firmenname ist also kein verlässlicher Indikator für die Qualität bzw. Vertriebsreife eines Interessenten. In der Praxis haben sich andere Modelle der Lead-Qualifizierung bewährt.

Lead-Scoring Modell mit expliziten und impliziten Parametern

In diesem Modell bewerten Sie die Profildaten des Ansprechpartners und des Unternehmens (explizites Lead-Scoring). Das Verhalten wird mit dem impliziten Lead-Scoring bewertet.

Explizites Scoring

Im expliziten Scoring bewerten Sie die „Struktur“ des Leads. Parameter für die Person können beispielsweise sein:

  • Position
  • Abteilung
  • Interessen, die die Person zeigt
  • Die Rolle im Entscheidungsprozess und Buying-CenterExemplarische Parameter für das Unternehmen:
  • Firmenname
  • Konzernzugehörigkeit
  • Anzahl Mitarbeiter:innen
  • Umsatz
  • Branchenzugehörigkeit
  • Land

Nutzen Sie die Parameter, die für Ihr Unternehmen entscheidend sind und übertragen Sie sie in ein Bewertungsschema.

Beispiel einer Einstufung im expliziten Lead-Scoring

Einstufung

A

B

C

D

Position Geschäfts-/Marketing-Leitung Fachbereichsleiter Marketing-Manager ?
Firmengröße (Mitarbeiter) > 10.000 > 5.000 > 2.500 > 100
Branche Anlagenbau IT Handel Consulting

Implizites Scoring

Das Verhalten des Interessenten bewerten Sie mit dem impliziten Scoring. Verhaltensweisen können sein:

  •  Anforderung eines Content-Angebots
  • Klick auf einen Link in einer E-Mail
  • Wie oft wurde eine Seite Ihrer Webseite besucht
  • Webinar-Anmeldung
  • Messebesuch

Die Aktivitäten bewerten Sie im impliziten Lead-Scoring Modell mit Punkten.

Beispiel einer Einstufung im impliziten Lead-Scoring

Aktivität

Punkte

Anforderung eines Content-Angebots

20

Klick auf einen Link in einer E-Mail

15

Besuche einer Webseite Themen- oder Produkt-Webseite

10

Webinar-Anmeldung

25

Messebesuch

30

 

Auch für das implizite Lead-Scoring erstellen Sie im nächsten Schritt eine Einstufung. Das könnte zum Beispiel so aussehen:

Einstufung

4

3

2

1

Punkte

0 – 25

26 – 50

51 – 75

76 – >100

 

Trägt man den expliziten und impliziten Wert in einer Lead-Scoring Matrix ein, wird das Stadium der Vertriebsreife deutlich.

Lead-Scoring Matrix

Lead-Scoring Matrix

Bild: @Norbert Schuster

Fazit für das Lead-Management

Lead-Scoring ist wichtig, um Ihre Interessenten zu qualifizieren und den Reifegrad zu messen. Mit diesem Modell übergeben Sie Ihrem Vertrieb nur vertriebsreife Interessenten und optimieren so die Erfolgsquote und Effizienz Ihres Vertriebsprozesses.

Modernes Lead-Management – Ein Paradigmenwechsel im Marketing

Durch das Internet, die Social Media Kanäle und die Digitalisierung des Kaufprozesses funktionieren die herkömmlichen Marketingmaßnahmen, wie z. B. Flyer, Events, Outbound-Aktionen, immer schlechter und ineffizienter. Das Marketing muss mit diesen Herausforderungen umgehen und neue Wege finden, um mehr und qualifiziertere Leads zu generieren und bis zur Vertriebsreife zu entwickeln. Modernes Lead-Management und die Plattformen für Marketing-Automation bieten hierfür große Chancen, sowohl für B2B als auch für B2C.

„Marketing sollte schon immer die Kundinnen und Kunden verstehen. In Zeiten von Internet und Social Media reicht es aber nicht mehr aus, nur Empathie und Einfühlungsvermögen für die Kundschaft aufzubringen. Marketing muss für den Prozess vom „Cold to Close“ profundes Wissen über die potenzielle Kundschaft und ihr Stadium im Kaufprozess aufbauen.“
Julian Archer, SiriusDecisions

So wird sich auch die Rolle des Marketings im Unternehmen verändern. Der:die Marketingleiter:in kennt die Lead-Funnel, den Lead-Forecast und trägt mess- und skalierbar zur Erreichung der Unternehmensziele bei.

Die Vorteile von modernem Lead-Management auf einen Blick:

  • Sie generieren mehr und bessere Leads
  • Sie führen die richtigen Leads durch den Verkaufstrichter (Funnel) zum gewünschten Ergebnis
  • Ihr Vertrieb kümmert sich um die erfolgversprechendsten Interessenten
  • Der Erfolg Ihrer Marketingaktivitäten wird transparenter und der Beitrag zum Unternehmenserfolg messbar

Meine Handlungsempfehlungen für Sie:

  1. Starten Sie mit Plan und Strategie! Dabei sollten Vertrieb und Marketing an einem Tisch sitzen.
  2. Definieren Sie Ihre Wunschkundschaft mit dem Buyer-Persona Konzept. Die klassische Definition der Zielgruppe reicht dafür nicht aus!
  3. Erstellen Sie relevanten und attraktiven Content für Ihre Wunschkundschaft: Leitfäden, Checklisten, Whitepaper, E-Books usw.
  4. Bauen Sie Reichweite auf, indem Sie den Content in die für Ihre Wunschkundschaft relevanten Kanäle verteilen (Stichwort: Touchpoints).
  5. Machen Sie aus anonymen Webseitenbesuchern „bekannte“ Interessenten, indem Sie Inhalte gegen die Daten (Name, E-Mail) und das Opt-in der Interessenten tauschen.
  6. Überlegen Sie, wie Sie Ihre Interessenten mit relevanten Inhalten durch den Verkaufstrichter entwickeln können (Stichwort: Lead Nurturing Kampagnen).
  7. Definieren Sie in Ihren Service Level Agreements, wer, was, wann und wie in Ihrem Lead-Management-Prozess zum gemeinsamen Erfolg beisteuert.
  8. Entwickeln Sie ein Lead Scoring-Modell, d. h. definieren Sie, wie Sie Interessenten und ihre Aktivitäten bewerten und wann der:die Interessent:in vom Marketing an den Vertrieb übergeben wird.
  9. Bauen Sie ein effizientes Lead Routing auf, um Ihre Vertriebsmitarbeiter:innen bestmöglich auf Interessenten vorzubereiten und potenzielle Kundinnen und Kunden optimal zu betreuen.
  10. Messen Sie die Ergebnisse Ihrer Aktivitäten und optimieren Sie die Aktivitäten entsprechend.
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Über den:die Autor:in

Norbert Schuster

Norbert Schuster ist Referent, Trainer und Coach für die Themen Leadmanagement, Marketing-Automation und Inbound-Marketing. Zusätzlich ist er Berater für Strategie- und Konzeptentwicklung und Autor mehrerer Fachbücher über Social-Media, Inbound-Marketing und Leadmanagement.

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