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Gamification in der Personalentwicklung

Lesezeit: 5 Min
Entspanntes Lernen mit Gamification in der Personalentwicklung

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Große Denker:innen sind sich einig: Das Spiel ist essenziell für den Menschen und die Entwicklung seiner Fähigkeiten. Diese Eigenschaft können wir auch für die Personalentwicklung nutzen. Erfahren Sie hier, was Gamification ausmacht und wie Sie damit die Lernmotivation in Ihrer Organisation steigern können.

Spielen bedeutet laut dem Gamification-Experten Roman Rackwitz vor allem „sich gleiten zu lassen und immersiv in eine Umgebung einzutauchen.“ Das Bedürfnis danach ist zutiefst menschlich, man denke nur an den berühmten Satz Friedrich Schillers „Der Mensch [...] ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“. Laut Schiller ist das Spiel die menschliche Leistung, die als einzige dazu geeignet ist, die Ganzheitlichkeit seiner Fähigkeiten hervorzubringen.

Das Prinzip der Gamification versucht, dies auch für Kontexte außerhalb des klassischen Spiels nutzbar zu machen. Lernen und Spielen gehören von Natur aus zusammen! Die Natur hat schon bei Kindern einen fast unerschöpflichen Drang und Genuss am Spielen verankert. Spielen dient einem Zweck: dem Lernen. Durch Spielen lernt das Gehirn die Welt zu verstehen, Erfahrungen zu verarbeiten und sich geistige und motorische Fähigkeiten anzueignen.

Was ist Gamification?

Der Begriff „Gamification“ wurde bereits 1978 von dem britischen Spiele-Forscher Richard Bartle geprägt. Erst seit den 2010er Jahren erfährt er größere Beachtung in Forschung und Praxis. Sebastian Deterding et. al. (2011) fassen Gamification prägnant als „Integration von Spielelementen und Spielprinzipien in nichtspielerische Kontexte” zusammen.

Das sind zum Beispiel Herausforderungen, die es in verschiedenen Levels zu lösen gilt. Fortschrittsanzeigen oder erworbene Punkte signalisieren den Nutzer:innen dann, wie sie abschneiden. Ansätze aus Spielen werden also in den Alltag, das Lernen und die Arbeit übertragen. Dadurch werden reale Prozesse so gestaltet, dass sie die intrinsische Motivation von Menschen fördern. Man unterscheidet Gamification von Game Based Learning und Serious Games:

Gamification vs. Serious Games und Game Based Learning

Gamification ist der der Einsatz spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext. Davon unterscheiden wir die sogenannten Serious Games und Game Based Learning. Diese funktionieren genau andersrum – Lerninhalte werden in einen Spielekontext eingefügt.

Ein Beispiel hierfür sind digitale Flugsimulatoren mit denen angehende Pilot:innen in virtuellen Szenarien geschult und auf die Realität vorbereitet werden. Weitere Beispiele sind Spiele, die quasi „nebenbei“ Kenntnisse einer Fremdsprache vermitteln. Serious Games sind in der Regel aufwändiger gestaltet und dadurch deutlich teurer als gamifizierte Anwendungen.

Der Lernkontext ist entscheidend

Es gehe bei Gamification jedoch nicht bloß darum, Punktesysteme, Ranglisten und Abzeichen in eigentlich nichtspielerische Anwendungen einzubauen, sagt Roman Rackwitz. Der Gründer der ersten etablierten Gamificationagentur im deutschsprachigen Raum betont: „Es bringt nichts, den Lernkontext nur spannender zu gestalten. Das berühmteste Beispiel ist das Compliance Training. Ich kann das maximal schön gestalten, aber das ist nur die halbe Miete. Wenn die Lernenden nicht das Gefühl haben, dass der Stoff für sie wichtig ist, dann ist ihnen egal wie spannend das gestaltet ist.“ Es gehe also darum, einen Kontext zu schaffen, in dem es sinnvoll ist, etwas Bestimmtes zu lernen.

Ist diese Voraussetzung gegeben, kann man mit Hilfe von Gamification Lernaufgaben oder Arbeitsabläufe so designen, dass Menschen von sich aus besser darin werden wollen.

Wo setzt Gamification an?

Der Einsatz von Gamification setzt ein bestimmtes Menschenbild voraus, das wir in der Personalentwicklung am ehesten als „Growth Mindset“ beschreiben können. Schließlich sei ein Spiel nichts anderes als der freiwillige Versuch, Hindernisse zu überwinden, sagt Rackwitz. Er kritisiert den eklatanten Gegensatz dazu, den er immer wieder beobachtet: „Wir versuchen die ganze Zeit, Hindernisse aus unserem Alltag herauszudesignen. Wir wollen alles vorhersagbar und effizient machen – das ist das Gegenteil von Spielen.“

Gamification dient also nicht dazu, eine Lernumgebung so effizient wie möglich zu gestalten. Damit ginge Spannung verloren. Vielmehr geht es darum, die Learning Journey mit spieltypischen Elementen zu gestalten. Mit verschiedenen Herausforderungen und Levels werden die Lernenden so geleitet, dass sie selbst merken – und ein datenbasiertes visuelles Feedback darüber bekommen – wie sie über die Zeit besser werden. Dies kitzelt den Ehrgeiz der Lernenden und setzt eine positive „Jagd nach dem besseren Ich“ in Gang. Darin liegt die Motivationssteigerung.
Als Lern- und Motivationspsychologe weiß ich: Neben der Selbstverbesserung kommen auch weitere Motivatoren zum Tragen. Je nach Persönlichkeit und Umfeld der Lernenden wirken unter anderem diese Faktoren unterschiedlich stark:

  • Selbstwirksamkeit
  • Die Menschen bemerken, das was sie getan haben (Lernanstrengung) etwas quantifizierbares bewirkt (sie erreichen ein neues Level).
  • Selbstwertsteigerung
  • Die Selbstwertsteigerung kommt entweder durch den Vergleich mit anderen oder dadurch, dass jemand den Leistungsanspruch an sich selbst erfüllt.
  • Abschlussmotiv
  • Dies ist eine soziale Motivation – Lernende wollen zum Club derer gehören, die ein bestimmtes Level erreicht haben.
  • Employability
  • Erworbene Zertifikat sind auch ein sichtbarer Beleg dafür, dass man etwas kann. Daher können sie für die nächste Gehaltserhöhung, einen Jobwechsel oder die Sicherung des aktuellen Jobs eine Rolle spielen.

Ein gutes Beispiel für die motivierende Visualisierung von Lernfortschritten ist die Sprachlernplattform Duolingo:

Gamification am Beispiel Duolingo: Zu sehen ist ein Screenshot aus dem Tool.
Gamification am Beispiel Duolingo: Zu sehen ist ein Screenshot aus dem Tool.

Gestaltung von Lernanreizen durch Gamification

Um langfristige Lernanreize zu schaffen, müssen Lernplattform und ihre Inhalte so gestaltet sein, dass sie eine kontinuierliche Entwicklung erlauben. Das geht zum Beispiel, indem komplexere bzw. tiefergehende Lerninhalte von den Usern „freigeschaltet“ werden müssen. Sie fungieren dann wie Level in einem Computerspiel. Die Mitarbeiter:innen erfahren sich als selbstwirksam und ihre Motivation sich persönlich zu entwickeln steigt.

Gleichzeitig zeigen Studien, dass allein die wertfreie Messung eines Verhaltens schon motivierend und leistungssteigernd wirkt. Das Belohnungszentrum des menschlichen Gehirns reagiert auf Punktegewinne, selbst wenn diese Punkte nur symbolischen Wert haben.

Die Rolle von Gamification für selbstgesteuertes Lernen

Heute findet ein großer Teil des Lernens in Organisation nicht mehr formal durch klar vorgegebene Seminare oder Trainings statt, deren Abschluss vorausgesetzt wird. Stattdessen nimmt die Bedeutung selbstgesteuerten Lernens kontinuierlich zu. Moderne Learning Experience Plattformen unterstützen die Lernenden dabei, die für sie relevanten Lern-Contents zu finden. Sie erhalten personalisierte Lernvorschläge und Wissen kann unmittelbar im „Moment of Need“ erworben und direkt angewandt werden.

Die Relevanz ist für die Lernenden in diesem Fall deutlich größer, da der Lern-Trigger intrinsisch motiviert ist. Die Grundlage für wirksame Gamification ist also geschaffen: Der Stoff selbst ist für den Lernenden wichtig und sinnhaft. Dennoch braucht es im stressigen Alltag manchmal zusätzliche Schubser, die die Motivation noch unterstützen. Es motiviert Lernende, wenn sie dank Gamification ihre Fortschritte sehen können und zusätzlich zum neuen Wissen und gelösten Arbeitsproblemen etwas „in der Hand haben“, für das sich die investierte Zeit ins Lernen noch mehr lohnt.

Gamification am Beispiel der LXP. Zu sehen: Ein Screenshot aus der Benutzeroberfläche der LXP.

Gamification und Immersion – auf der Jagd nach dem Flow

Betrachten wir die Grundlage von Gamification – nämlich Spiel, Sport und Hobby – so fällt auf, dass es dabei immer darum geht, eine Herausforderung zu lösen. „Das Leben dort sollte nicht zu leicht sein, sonst wird es langweilig. Ist es zu schwer, bist du frustriert. Der Flow ist die perfekte Balance zwischen der Herausforderung und Fähigkeiten,“ sagt Roman Rackwitz. Das lasse sich auch neurochemisch beobachten. Je herausfordernder eine Aufgabe ist, je mehr Informationen also im Gehirn fließen, desto mehr Neurotransmitter strömen.

Auf den Kontext der Personalentwicklung übertragen bedeutet das, gamifizierte Anwendungen dürfen nicht zu leicht sein. Ein produktives Erfüllungsgefühl tritt nur ein, wenn eine Herausforderung gemeistert wurde. So verwundert es nicht, dass die Faszination am Spiel auch darin besteht, dass man die Herausforderung nicht sofort meistert. Stattdessen geht es darum, auf dem Weg zum angestrebten Ergebnis wiederholt zu scheitern, dabei aber zu bemerken, dass man dem Ergebnis näherkommt. So kann man später sagen, man ist in irgendetwas besser geworden. Und „evolutionär sind wir nur auf diese eine Sache getrimmt,“ sagt Rackwitz.

Einsatz von Gamification ist auch eine Frage der Unternehmenskultur

Im beruflichen Umfeld gibt es immer wieder Vorbehalte gegenüber „Spielerei“. Es hänge daher auch mit der Unternehmenskultur zusammen, ob sich spieltypische Elemente sinnvoll nutzen lassen, sagt Rackwitz: „Stell dir vor: Ein Unternehmen führt plötzlich ein Lernspiel ein, aber aus Sicht der Mitarbeitenden ist das Unternehmen überhaupt nicht spielerisch unterwegs und ihr Chef ist der unkreativste und unlustigste Typ. Dann denken sie nicht, dass es gut ist, das Spiel zu spielen.“

Gamification hat dabei im Gegensatz zu Game Based Learning jedoch einen Vorteil: Die Grundidee ist, die Realität für den Menschen besser zu gestalten, nicht nur das Design anzupassen. Es geht um die psychologischen Mechaniken hinter Spielen, nicht um die Optik. Das Produktivitätspotential steckt Roman Rackwitz zufolge „nicht darin, dass die Leute sagen ‚so jetzt habe ich gespielt und nun zurück an die Arbeit‘, sondern dass sie feststellen, der Job oder das Lernen sei intuitiver geworden.“ Gamification muss für die User also gar nicht unbedingt nach einem Spiel aussehen. So komme auch niemand in die Verlegenheit, sich sagen zu müssen „ich bin ja seriös, ich daddel hier doch nicht.“

Fazit: Gamification kann die Lernmotivation fördern

Gamification im Sinne des Einsatzes von spieltypischen Elementen im Lernkontext kann die Motivation von Lernenden fördern. Den größten Erfolg zeigt Gamification, wenn der gesamte Lernprozess so angelegt wird, dass er eine echte Herausforderung bietet und Fortschritte im Sinne einer „Jagd nach dem besseren Ich“ möglich macht. Punkte und Badges dienen den Lernenden dann als Feedbackinstrument, mit denen sie ihre persönliche Entwicklung einschätzen können. Dadurch kann Gamification das Zünglein an der Waage sein, damit die Entscheidung einer Person häufiger darauf fällt, etwas zu Lernen.

Pionier für Gamification: Roman Rackwitz

Über Roman Rackwitz:

Roman Rackwitz ist einer der Pioniere für Gamification in Deutschland. Als Gründer der Engaginglab GmbH leitet er die erste etablierte Gamificationagentur im deutschsprachigen Raum. Nach dem Ansatz der „Growth Gamification“ überträgt er Erfolgsfaktoren für persönlich empfundenen Fortschritt aus Spiel, Sport und Hobby auf die Arbeitswelt.

www.romanrackwitz.de

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